Eine neue Studie bietet erstmals einen detaillierten Einblick in die Veränderungen der Oberflächentemperatur der Erde über die letzten 485 Millionen Jahre. Das Ergebnis bestätigt Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre als den Haupttreiber klimatischer Erwärmung. Die Studie zeigt auch eindrucksvoll, dass die durch den anthropogenen Klimawandel verursachten Treibhausgasemissionen den Planeten derzeit viel schneller erwärmen als selbst die schnellsten Erwärmungsereignisse der Vergangenheit.
Wie das Team um Emily Judd, ehemalige Postdoktorandin am National Museum of Natural History und der Universität von Arizona aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.adk370) berichtet, haben sie eine Kurve der globalen mittleren Oberflächentemperatur (GMST) erstellt, die sich bis weit in die Vergangenheit ins sogenannte Phanerozoikum, dem „Zeitalter des sichtbaren Lebens“ erstreckt.
Die neue Kurve zeigt, dass die Temperatur der Erde während dieser Zeitperiode, also den letzten 540 Millionen Jahren, in denen sich das Leben diversifiziert, das Land besiedelt und mehrere Massenaussterben überstanden hat, stärker schwankte als bisher angenommen.
Die ermittelte Kurve bestätigt einmal mehr, dass die Temperatur der Erde stark mit der jeweiligen Menge an Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre korreliert.
Bevor diese Studie durchgeführt wurde, gab es keine zuverlässige Temperaturkurve für das Phanerozoikum. Der grund hierfür lag hauptsächlich in der lückenhaften Natur des Fossilienbestandes. Fossilien liefern einige Hinweise auf die Temperaturen der Vergangenheit, aber sie bieten nur isolierte Momentaufnahmen einer Region zu einem bestimmten Zeitpunkt, was die Rekonstruktion globaler Temperaturen in der Vergangenheit erschwert. Erst durch die nun erstmals angewandte sogenannte Datenassimilation, also eine Kombination aus Daten geologischer Aufzeichnungen und Klimamodellen, wie sie ursprünglich für Wettervorhersagen entwickelt wurde, konnte nun eine verlässliche Kurve weit in die Vergangenheit hinein erstellt werden. Statt jedoch zur Vorhersage des Wetters zu verwenden, rekonstruierten die Forschenden mit Hilfe der Datenassimilation und mehr als 850 Modell-Simulationen alte Klimata nachträglich.
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Laut den Forscherinnen und Forschern erlaube die Verfeinerung der Schwankungen der Erdtemperatur über lange Zeiträume einen wichtigen Kontext für das Verständnis des modernen Klimawandels.
Die neue Kurve zeigt, dass die Temperaturen während des Phanerozoikums stärker schwankten als zuvor gedacht. Die GMST variierte zwischen 11 und 36 Grad Celsius. Extreme Hitzeperioden standen meist im Zusammenhang mit erhöhten Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre.
„Die Arbeit zeigt deutlich, dass Kohlendioxid der dominierende Faktor für die globalen Temperaturen über geologische Zeiträume hinweg ist“, sagte Jessica Tierney, Paläoklimatologin an der Universität von Arizona und Co-Autorin des neuen Artikels. „Wenn der CO2-Gehalt niedrig ist, ist die Temperatur kalt; wenn der CO2-Gehalt hoch ist, ist es warm.“
Zwar zeigen die Ergebnisse zunächst, dass die aktuelle GMST der Erde von 15 Grad Celsius kühler ist als über weite Teile des Phanerozoikums hinweg, allerdings erwärmen die durch den anthropogenen Klimawandel verursachten Treibhausgasemissionen den Planeten derzeit viel schneller als selbst die schnellsten Erwärmungsereignisse des Phanerozoikums.
„Wenn man die letzten paar Millionen Jahre untersucht, findet man nichts, das dem ähnelt, was wir für das Jahr 2100 oder 2500 erwarten“, erläutert Scott Wing, Kurator für Paläobotanik am Smithsonian’s National Museum of Natural History und ebenfalls Mitautor der Studie. „Man muss noch weiter zurückgehen, zu Zeiten, als die Erde wirklich warm war, weil das der einzige Weg ist, um ein besseres Verständnis davon zu bekommen, wie sich das Klima in der Zukunft ändern könnte.“
Die aktuelle Geschwindigkeit der Erwärmung setzt Arten und Ökosysteme auf der ganzen Welt einem Risiko aus und verursacht einen raschen Anstieg des Meeresspiegels. Einige andere Episoden schnellen Klimawandels während des Phanerozoikums lösten Massenaussterben aus: „Menschen und die Arten, mit denen wir den Planeten teilen, sind an ein kälteres Klima angepasst“, sagte Tierney. „Uns alle derart schnell in ein wärmeres Klima zu versetzen, ist eine gefährliche Sache.“
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Recherchequelle: Smithsonian, Science
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