Schon Menschen der Bronzezeit führten chirurgische Schädelöffnungen durch
Ansicht einer gut verheilten und lange überlebten Trepanantion durch Schabetechnik.
Copyright/Quelle: J. Gresky / DAI Zentrale (CC BY NC-ND)
Berlin (Deutschland) – In Südrussland haben deutsche und russische Archäologen 13 Schädel mit sogenannten Trepanationen entdeckt. Hierbei handelt es sich um gezielte chirurgische Schädelöffnungen, die mit einfachsten Mitteln ohne die modernen medizinischen Methoden, ohne Anästhesie durchgeführt wurden. Obwohl die Eingriffe höchst gefährlich und sogar tödlich sein konnten, haben die Patienten diese offenbar sogar langfristig überlebt. Wozu die Schädelöffnungen allerdings durchgeführt wurden, ist weiterhin ein Rätsel.
Wie die Anthropologen um Dr. Julia Gresky vom Referat Naturwissenschaften und der Eurasien Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts gemeinsam mit russischen Kollegen aktuell im Fachjournal „American Journal of Physical Anthropology“ (DOI: 10.1002/ajpa.22996) berichten, handelt es sich um insgesamt 13 rund 6.000 Jahre alte Schädel, mit Trepanationen an jeweils identischer Stelle: „Obwohl diese Stelle aus anatomischen Gründen das höchste Operationsrisiko hat, überlebten die meisten der Patienten den Eingriff. Die spezielle Lokalisation und die Tatsache, dass keine Spuren von Trauma oder Krankheiten am Schädel sichtbar waren, lässt einen rituellen Hintergrund der Operation vermuten.“
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Funde von Trepatationen erlauben den Wissenschaftlern immer wieder faszinierende Einblicke in die frühen medizinischen Kenntnisse und Fertigkeiten der Menschen seit mehr als 10.000 Jahren.
Für die Eingriffe sehen die Forscher eine Vielzahl möglicher Gründe: diese reichen von medizinisch indizierten Operationen bis zu rituellen Motiven. „Es ist sehr schwierig und meistens sogar unmöglich, die Gründe für eine Operation an einem Schädel zu erkennen. Ist die Ursache ein Trauma, sind möglicherweise noch Bruchlinien am Schädel zu sehen. Handelt es sich um eine Krankheit wie Epilepsie oder Migräne oder um rituelle Gründe, sind am Knochen keine Hinweise auf den Operationsgrund sichtbar.“
Eine nicht verheilte Trepanantion durch Schneidetechnik.
Copyright/Quelle: Natalia Berezina, Moskau
Bei den anthropologischen Untersuchungen wurden an den 13 bronzezeitlichen Schädeln Trepanationen gefunden, die durch ein gemeinsames Merkmal auffielen: „Alle Löcher lagen an derselben Stelle, mittig, leicht oberhalb des Hinterhauptes. Die Schädel wurden lupenmikroskopisch sowie mit Röntgen- und Computertomographischen Methoden untersucht, um Informationen zur Größe und Position der Läsionen, aber auch zur Operationstechnik, zum Heilungszustand und zu möglichen Komplikationen zu gewinnen.“
Wie sich aus den Spuren an den Schädeln ermitteln ließ, wurden die Operationen mit zwei unterschiedlichen Techniken durchgeführt: „Entweder wurde das Loch durch Schaben mit einem scharfen Gegenstand oder durch Ausschneiden eines rundlichen Knochenstückes erzeugt (s. Abb.). Es wurden etwa gleich viel Männer und Frauen im Alter zwischen 10 und 60 Jahren operiert. Die meisten Patienten überlebten die Operation für einen langen Zeitraum.“
Die immer gleiche Lokalisation der Löcher am Schädel sei eine unübliche Beobachtung für Trepanationen, berichten die Forscher abschließend: Hinzu komme, dass gerade dieser Platz aufgrund anatomischer Besonderheiten zu den gefährlichsten für eine Schädeleröffnung gehört. Die Tatsache, dass die meisten Patienten die Operation trotzdem überlebten, zeigt, dass es sich um spezialisierte Operateure gehandelt haben muss, die diese Lokalisation am Schädel trotz der Risiken absichtlich wählten. „Dieses sowie die fehlenden Hinweise auf Frakturen oder Erkrankungen am Schädel deuten auf einen eher rituell begründeten Operationsgrund hin. Die Region in Südrussland scheint neben anderen europäischen Regionen ein weiteres Zentrum für Trepanationen zu sein.“
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