Brisbane (Australien) – Bereits 2017 konnten Wissenschaftler anhand von Baumringen ein gewaltiges Strahlungsereignis vor rund 7.000 Jahren nachweisen, dessen Art und Quelle trotz erster Hypothesen bislang unbekannt sind. Eine neue Studie zeigt nun auf, dass diese als „Miyake-Ereignisse“ bezeichneten Katastrophen die Erde in den vergangenen 10.000 Jahren mehrfach getroffen haben und sich grob alle 1000 Jahre zu wiederholen scheinen.
Schon 2017 hatte das Team um Fusa Miyake von der Nagoya University und A. J. Timothy Jull von der University of Arizona das das erste damals bekannte derartigederartige Ereignis mithilfe von C-14-Kohlenstoffsignaturen in den Baumringe von mehrere tausend Jahre alten langlebigen Kiefern in Japan, den USA und der Schweiz ins Jahr 5480 v. Chr. datiert und über ihre Entdeckung damals im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichtet. Die Forscher selbst vermuteten damals ungewöhnliche Sonnenaktivität als Ursache für die extrem erhöhten Strahlenwerte.
„Diese Kiefern können und konnten mehrere Tausend Jahre alt werden und geben uns damit einen umfassenden Einblick in die Sonnenaktivität während ihrer Lebensspanne“ führten Miyake und Kollegen damals aus: „Der Grund dafür ist der, dass die Bäume atmosphärischen Kohlenstoff aufnehmen und in ihren Jahresringen einlagern. Ist die Sonnenaktivität und sind die mit ihr einhergehenden Sonnenstürme also schwach, so steigt der Gehalt des Kohlenstoff-Isotops 14 (C-14) in der Atmosphäre – und damit auch in den Baumringen an.“ (…GreWi berichtete)
Das Hauptproblem der Theorie ungewöhnlicher Sonnenausbrüche: Die nachgewiesenen Strahlungswerte liegen bis zum 80-Fachen der Werte der stärksten jemals aufgezeichneten Sonnenereignisse überhaupt.
In einer neuen Studie berichtet das Team um den Mathematiker Qingyuan Zhang und den Astrophysiker Benjamin Pope von der University of Queensland nun im Fachjournal „Proceedings oft he Royal Socitey A: Mathematical, Physical, and engineering Sciences“ (DOI: 10.1098/rspa.2022.0497), dass die Quelle der Miyake-Ereignisse noch rätselhafter sein könnte als bereits gedacht und zeigen auf, dass vergleichbare Ereignisse immer wieder passieren. „Was sie auslöst, ist allerdings weiterhin völlig unklar“, so Pope.
„Wir sollten mehr über diese Ereignisse herausfinden, den sollte sich ein solches Ereignis heute ereignen, würde es unsere lebensnotwendigen Technologien wie Satelliten, Internetverbindungen, Langstreckenstromkabel und Transformatoren zerstören. Die Auswirkung auf die weltweite Infrastruktur wäre unvorstellbar“, warnt der Astrophysiker.
Bislang konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen insgesamt sechs Miyake-Ereignisse nachweisen, die sich nur innerhalb einzelner Jahresringe alter Bäume abzeichneten, – also auch nur periodisch begrenzt, dafür aber spontan auftraten.
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Das erste, bislang nachgewiesene Miyake-Ereignis ereignete sich im Jahr 7176 v. Chr. Es folgten bislang entdeckte Strahlungsereignisse in den Jahren 5410 v. Chr., 5259 v. Chr., 660 v. Chr. und in den Jahren 774 und 993 n. Chr. Zudem stellten die Forschenden kleinere Ereignisse zwischen diesen Daten fest.
Um zu untersuchen, ob die gewaltigen Ereignisse von unvorstellbar schweren Sonnenausbrüchen (sog. Flares) verursacht worden sein könnten, nutzen die Forschenden ein vereinfachtes Modell des globalen Kohlenstoffkreislaufs und kombinierten dieses mit den Baumring-Daten, um so zu zeigen, welche C-14 Anstiege in den Baumringen von solarer Strahlung, die von der Atmosphäre, den Ozeanen und Landorganismen aufgenommen wird, herrühren könnten. Ein Vergleich dieser Daten zu atmosphärischem Kohlenstoff mit dem bekannten, etwa 11-jährigen Sonnenzyklus zeigte, dass die Miyake-Ereignisse entgegen den Erwartungen der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht mit den Maxima der Sonnenaktivität übereinstimmen und sich auch nicht durch unregelmäßige Sonnenausbrüche erklären ließen, da sie in den Baumringen Auswirkungen von bis zu zwei Jahren Dauer hinterließen.
Archivbild: Langlebige Kiefern wie dieser, vor wenigen hundert Jahren abgestorbene, mehr als 9.000 Jahr alte Baum, geben Einblick in vergangene Strahlungsereignisse.
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„Statt also eine einzelne spontane Explosion oder Flare, sehen wir hier die Spuren einer Art von astrophysikalischem Sturm oder Ausbruch“, erläutert Zhang und erklärt weiter: „Die Intensität dieser unerklärten kosmischen Katastrophen ist nicht zu unterschätzen.“
Tatsächlich entsprach die während des sogenannten Carrington-Ereignisses von 1895 durch einen Sonnensturm auf die Erde treffende Energie, (die u.a. damalige Telegrafennetzwerke beschädigte und weltweit Polarlichter erzeugte, wie sie die Helligkeit des Vollmondes übertrafen), die von 10 Milliarden 1-Megatonnen-Atombomben. Die Energie des Miyake-Ereignisses im Jahr 774 übertraf diesen gewaltigen Wert allerdings noch um das 80-Fache. Ein weiteres Problem: Sterne wie unsere Sonne sollten eigentlich gar nicht in der Lage sein, derart gewaltige Ausbrüche zu erzeugen.
Auch eine Überprüfung auf potenzielle nahe Sternenexplosionen (sog. Supernovae) erbrachte keine, sich mit den Daten zufriedenstellend deckende Erklärung für die Ereignisse. Dies nicht zuletzt, weil solche Ereignisse für gewöhnlich auch Spuren in den Nitratwerten in Eiskernen hinterlassen, die jedoch zu Zeiten der nachgewiesenen Miyake-Ereignisse (beispielsweise anno 774 und 993) fehlen.
Eine Suche in historischen Aufzeichnungen erbrachte bislang lediglich zwei auffallende Übereinstimmungen historischer Schilderungen, die mit einem der datierten Miyake-Ereignisse zusammenfallen: Zum einen findet sich einer angelsächsischen Chronik aus dem 9. Jahrhundert die Schilderung eines Himmelsphänomens im Jahre 774, das als „rotes Kreuz nach Sonnenuntergang“ am Himmel beschrieben wurde. Einige Forscher halten diese Schilderung allerdings für die zeitgenössische Beschreibung eines sogenannten Mond-Rings, einer Halo-Erscheinung also, die jedoch in keinem Zusammenhang mit einem Strahlungsereignis steht. Eine weitere historische Quelle, die Aufzeichnungen des chinesischen Chornisten Jiutangshu, erwähnt zudem ein Himmelsphänomen im Jahr 775, das aus heutiger Sicht als Polarlicht gedeutet werden könnte, für das es aber sonst keine weiteren zeitgenössischen Bestätigungen zu geben scheint.
In nächsten Schritten wollen die Forscher nun weitere Baumring-und Eiskern-Daten erheben, um die Datierung der Ereignisse noch mehr zu präzisieren und die verschiedenen beteiligten Isoptope noch besser zu verstehen.
Die Tatsache, dass es derzeit nicht möglich ist, zu verstehen, um was es sich bei diesen Ereignissen überhaupt handelt, also auch nicht zukünftige Ereignisse vorherzusagen, bezeichnet Pope abschließend als sehr verstörend. „Basierend auf den zur Verfügung stehenden Daten besteht eine etwa 1-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass wir innerhalb des nächsten Jahrzehnts ein weiteres Miyake-Ereignis erleben werden. Wir wissen allerdings nicht, wie wir es vorhersagen können und welchen Schaden es anrichten wird. Dieses Szenario ist erschreckend und sollte die Grundlage weiterer Untersuchungen dazu sein.“
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