2014 bat die Zeitschrift „Skeptiker“ (1/2014, s. Abb. r.), das Vereinsorgan der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.“ (GWUP), sowohl den Kornkreis-Forscher Andreas Müller als auch den Kornkreis-Macher und -Kritiker Harald Hoos zum Interview rund um das Phänomen der Kornkreise. Mit Genehmigung der Skeptiker-Redaktion veröffentlicht Grenzwissenschaft-Aktuell.de im Folgenden die beiden Interviews erneut – geben Sie doch Einblick in die Argumentation und Hintergründe zweier entgegengesetzter Arten und Weisen, sich mit dem Phänomen-Kornkreise auseinanderzusetzen.
– Das Interview mit dem Kornkreisforscher Andreas Müller finden Sie HIER
Philippe Leick (für den „Skeptiker“): Wie sind Sie zur Kornkreisforschung gekommen?
Harald Hoos: 1990 bin ich auf das erste in Deutschland veröffentlichte Buch zu dem Thema gestoßen. Das war „Kreisrunde Zeichen“ von Pat Del gado und Colin Andrews. Zuvor hatte ich ein paarmal in den Medien von Kornkreisen gehört und war neugierig geworden.
Das Buch hat dann zwar mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben, aber das Ganze hat mich gefesselt und die Kornkreise haben mich in ihren Bann gezogen. Was ging da ab in den südenglischen Feldern? War das wirklich alles unerklärlich? Stimmten all diese Geschichten von mysteriösen und unheimlichen Dingen? Ich war fasziniert und wollte es wissen und vor allem auch erleben.
So bin ich 1992 das erste Mal nach England gefahren und habe Kornkreise und Kornkreisszene erlebt. Die Landschaft hat mich fasziniert, all diese mystischen Plätze, Kultstätten usw. Und ich durfte dann die Atmosphäre
in einem Kornkreis erleben, die Stimmung, die Menschen – einfach das gesamte Setting hat mich in seinen Bann gezogen. Es waren spannende zwei Wochen in Südengland.
Leick: Sie sind in der Szene als Skeptiker bekannt, haben Kornkreise als „größten Streich seit Max und Moritz“ bezeichnet. War das von Anfang an so, oder kam es bei Ihnen im Laufe der Zeit zu einem Sinneswandel?
Hoos: Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Wie gesagt, war ich 1992 das erste Mal in England. Dort habe ich die gesamte Kornkreisszene erlebt. Zurück in Deutschland bin ich in die Forschungsgesellschaft Kornkreise e. V. (FGK) eingetreten und habe in dem Verein weitere Kontakte zu Kornkreis enthusiasten geknüpft. Da ich offen an die ganze Sache herangegangen bin, also nicht krampfhaft den Beweis für ein extraterrestrisches oder wie auch immer geartetes Phänomen finden wollte, habe ich mich auch schnell den Leuten in der Kornkreisszene angenähert, die mir schon damals signalisierten, es sei alles Menschenwerk. Anders als bei den Dogmatikern, die unbedingt etwas Übernatürliches in den Kornkreisen sehen und dann auch beweisen wollten, wurde ich in dieser Personengruppe sehr schnell akzeptiert und
man schenkte mir auch Vertrauen.
Dies bedeutete, dass ich bald an Insiderwissen herangeführt wurde. Die Dogmatiker fanden in diesen Kreisen keinen Platz bzw. es war auch so, dass die Gruppen einander gemieden haben. Die Verfechter des „Kornkreise-sind-Menschenwerk“-Standpunktes wurden damals wie Ketzer behandelt und werden es noch heute.
1993 führte mich wieder eine Reise nach England, diesmal in einer kleinen Gruppe, eben auch mit Personen, die Kornkreise schon damals als Menschenwerk ansahen. So wurde ich schon bei meiner zweiten Englandreise ein wenig in die englische Kornkreismacherszene mit hineingezogen, hörte viele Geschichten und erlebte das Phänomen Kornkreise aus einem anderen Blickwinkel.
Damals war das alles für mich erst mal vollkommen abstrakt, selbst hatte ich ja noch keine Erfahrungen. Das änderte sich dann 1994. In diesem Sommer sind wir zu viert losgezogen und haben einen Kornkreis angelegt. Für drei von uns war es eine Premiere, eine Person in der Gruppe hatte schon in England mitarbeiten dürfen. Es entstand ein kleiner, aber schon recht feiner Kornkreis. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich bei mir ein Gespür dafür, dass das Ganze menschenmachbar ist und keinen riesigen technischen Aufwand benötigt.
Zum Bild – Harald Hoos: „Diese Formation wurde in Begleitung eines Kamerateams des Hessischen Rundfunks nachts angelegt. Die Aktion wurde auch verdeckt gehalten. Die Besonderheit iegt in der Konstruktion: Es ist kein einziger Kreis enthalten. Später als die ganze Sache durch die Sendung „aufgeflogen“ war, haben wir die Quizfrage gestellt, wie die Formation angelegt wurde. Eine einzige richtige Antwort ist eingegangen.
Copyright: Harald Hoos
Wir hatten nur ein Seil und ein paar Bretter. Nachdem die FGK Wind von dem Kornkreis bekommen hatte, setzte sich die ganze Maschinerie in Gange. Es wurde darauflosgeforscht mit dem Ergebnis: ziemlich sicher ein „echter“ Kornkreis! Also nicht von Menschen gemacht! Denn man fand Halme, die nicht gebrochen, sondern gebogen waren. „Bent, but not broken“ war damals das Echtheitsindiz schlechthin.
Nun bin ich hingegangen und habe für mich herausgefunden, wie es dazu kommt, dass Halme fast im 90-Grad-Winkel zu Boden gebogen werden. Ganz einfach: Ein Halm wächst nicht senkrecht aus dem Boden, sondern die Halme wachsen aus einem Halmbüschel mit einem Bogen von eben fast 90 Grad aus dem Boden. Wenn das Getreide noch in einem sehr frühen Wachstumsstadium ist, also noch schön saftig und stabil, wird der Halm nicht abgeknickt, sondern er legt sich an seiner schwächsten Stelle um, nämlich am Wurzelwerk. Das vermittelt den Eindruck eben dieser Biegung. Am besten kann man das bei Weizen bewerkstelligen. Diesen Effekt kann jeder in einem Feld nachvollziehen. Da der Halm eben nicht beschädigt ist, wächst er auch weiter und richtet sich am zweiten oder dritten Wachstumsknoten wieder auf. Wiederum ein „Echtheitsindiz“ für die Kornkreisforscher.
Bald rankten sich auch die ersten Mythen um das Werk mit meiner Beteiligung. Die „Forscher“ versuchten die Entstehungsreihenfolge der einzelnen Komponenten der Formation zu rekonstruieren. Ihr Ergebnis war fast exakt die umgekehrte Reihenfolge wie die tatsächliche. An dieser Stelle war für mich ein wichtiger Schritt getan. Ich wusste mehr – für mich war dies der einzig richtige Forschungsansatz. Ich sah mich auf dem richtigen Weg, um an den wahren Ursprung der Kornkreise heranzukommen.
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Leick: Welche Forscher und Methoden haben Sie kennengelernt und wie lernt man sich eigentlich kennen?
Hoos: Das Kennenlernen findet in erster Linie in und um den Kornkreis statt. Taucht eine Kornkreisformation auf, wird diese – egal ob in Deutschland, England oder anderswo – sehr schnell zu einer Art Pilgerstätte. Man lernt neue Leute kennen und tauscht sich aus. In England war das „Barge Inn“ der Szene-Treffpunkt, ein Pub bei Alton Barnes. Zu den Hochzeiten Ende der 1990er Jahre brannte dort abends die Luft. Es wurde diskutiert und die neuesten Informationen ausgetauscht. Der Landlord ist auf die Welle aufgesprungen und hat das „Barge Inn“ zum Kornkreispub gemacht, mit entsprechenden Infotafeln und Deckenbemalung im „Croppies Room“, einem Hinterzimmer, das ursprünglich ein Billardraum war.
Ich sage es ganz direkt und unverblümt: In meiner ganzen Zeit in der Kornkreisszene habe ich keinen einzigen wirklichen Forscher kennengelernt, der mit seinen Methoden nur annähernd einem wissenschaftlichen Anspruch genügte. Das heißt jetzt nicht, dass sich keine Personen aus wissenschaftlichen Bereichen in der Szene tummeln. Elektrotechniker, Informatiker, Biologen usw. sind zu finden. Aber es ist festzustellen, dass deren „wissenschaftlicher Verstand“ – wenn es um Kornkreise geht – auf Urlaub ist. Personen, ja sogar Koryphäen in ihren jeweiligen Disziplinen, werden zu Dilettanten und Dogmatikern. Man möchte eben den Beweis für den eigenen Glauben erbringen. Es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn ich sage, Kornkreise sind eine Art Ersatzreligion.
Der Wunsch nach etwas Übersinnlichem und Spirituellem ist Triebfeder für Tun und Handeln. Oftmals gipfelt dies in einem Szenario, das dem verzweifelten Versuch des Erbringens eines Gottesbeweises gleicht. Das klingt nun sehr hochtrabend, aber entspricht wirklich der Realität. Ich drücke es mal ganz salopp aus: Wenn z. B. ein promovierter Medizininformatiker unbedingt an Kornkreise glauben will und seine Freizeit mit Kornkreisforschung verbringt, macht er sich ziemlich zum Affen! Da stand ich oftmals daneben und war wirklich peinlich berührt.
Leick: Haben Sie auch experimentiert und mehr als nur Kornkreise geformt, z. B. Material ausgestreut oder mit Brennern gearbeitet?
Hoos: Nein, das wurde wohl von anderen Kornkreismachern so gemacht, ist aber auch eigentlich nicht notwendig. Die Geschichten entstehen von ganz alleine. Dazu erzähle ich mal eine Anekdote:
In einer Gruppe von vier Personen haben wir 1996 bei Zierenberg im Landkreis Kassel einen Kornkreis angelegt, Eigentlich eine ganz unspektakuläre Formation, der Ort war mehr oder weniger zufällig gewählt. Der Kornkreis fiel quasi auf fruchtbaren Boden, viele Kornkreisforscher sind angereist und haben das Feld untersucht. Es kursierten nach kurzer
Zeit spektakulär anmutende Geschichten.
Zum Bild – Harald Hoos: „Dies ist eine Formation, die wir quasi als „kreis zum Buch“ für das erste Buch von Florian Brunner und mir „Kornkreise – Rätsel in mystischer Landschaft“ angelegt haben. Die Entstehung wurde geheimgehalten, der Bauer war eingeweiht. Bald rankten sich Geschichten um rote Lichter, die angeblich in der Entstehungsnacht über dem Feld schwebten, um die Formation.
Copyright: Harald Hoos
So sollen die Tiere eines Bauernhofs in der Entstehungsnacht unruhig gewesen sein, über Lichterscheinungen wurde gesprochen und es wurden viele „Untersuchungen“ im Kreis durchgeführt. Einer der Kornkreisenthusiasten
schleppte eine alte verrostete Küchenwaage ins Feld und wog einen Kilogramm-Gewichtsstein inner- und außerhalb des Kornkreises mit dem Ergebnis, dass der Gewichtsstein im Feld angeblich weniger wog als außerhalb. Ich glaube, es ist müßig, das Entstehen dieser Gewichtsanomalie hier näher zu erörtern…
Dann wurde es richtig spektakulär: An einer Stelle im Kornkreis wurde eine erhöhte Radioaktivität gemessen! Fragen Sie mich bitte jetzt nicht, auf welchen Umstand diese Messung zurückzuführen ist. Aber ich glaube kaum, dass diese Messung wirklich ernst zu nehmen ist. Im Spaß haben wir dann nur einer unserer Mitstreiterinnen, die bei der „Kornkreisentstehung“ beteiligt war, dringend einen Termin beim Urologen empfohlen. Denn sie war in der Nacht im halbfertigen Kornkreis einem mengschlchen Bedürfnis nachgegangen und hatte sich erleichtert. Sollte dies die Stelle gewesen sein, an der erhöhte Radioaktivität gemessen wurde? Wenn ja, hätte wohl Grund zur Sorge bestanden…
Solche Anekdoten gibt es mehrere. Sie sehen, es ist gar nicht notwendig, mehr zu tun, als nur den Kornkreis anzulegen. Unerwartete oder spektakuläre Echtheitsindizien ergeben sich auch so. So werden z. B. auch regelmäßig Verfärbungen, die teilweise auf Wachstumsveränderungen oder Pilzbefall zurückzuführen sind, wie sie in vielen oder eigentlich in jedem Getreidefeld zu finden sind, eben phantasievoll interpretiert. Es wird dann nur das Getreide im Kornkreis betrachtet, aber kein Blick nach rechts oder links geworfen.
Ja, so wie Sie es in Ihrer Frage angedeutet haben, es gibt Kornkreise, in denen Materialien ausgebracht wurden. Aber ich selbst habe das nicht gemacht.
Leick: So wie ich das verstehe, ist für Sie berechtigterweise der Kornkreis Kunst in der Natur. Ärgert es Sie nicht, dass diese Arbeit nach wenigen Tagen vergeht?
Hoos: Kornkreise als Kunst, als „Land-Art“, das ist wirklich nur ein Aspekt, für mich eigentlich nur Beiwerk. Primär sind die Kornkreise mit ihrem gesamten menschlichen Umfeld ein phantastisches psychologisches und soziologisches Phänomen.
Es schmerzt schon einen kleinen Moment, wenn der Mähdrescher kommt. Aber das Kunstwerk lebt ja weiter: Es existieren Bilder, diese Bilder kommen in Zeitschriften, Bücher und ins Internet. Eigentlich beginnt das Kunstwerk erst nach seinem „Ableben“ zu leben. Das klingt paradox, aber ist so. Es geht oft erst nach der Ernte los, dass sich irgendwelche Geschichten um den einzelnen Kornkreis zu spinnen beginnen. Der ein erzählt das Erlebnis, der andere berichtet von dieser Erfahrung in der Formation. Es wird spekuliert, gedeutet und fabuliert. Das Interessante ist: Weil der Kornkreis bereits Vergangenheit ist, kann keine der Geschichten und Berichte mehr nachgeprüft werden. Hierdurch erhält das Ganze einen besonderen Charme und eine teils mitreißende Dynamik. Bei eindrucksvollen Kornkreisen kann dieser Prozess über Jahre gehen und sich immer weiter entwickeln bzw. verselbständigen.
Kommen wir noch einmal auf den Kunstaspekt zurück. Vor diesem Hintergrund
werden die Kornkreise zu einer besonderen, ja ich würde sagen, fast einzigartigen Kunstform.
Leick: Ich gewinne den Eindruck, Kornkreismacher hüten ihre wirklich guten Methoden ähnlich wie Zauberkünstler ihre Tricks… Hand aufs Herz: Ist das so? Und wenn ja, unterstützen Sie nicht unfreiwillig diejenigen, die übernatürliche oder mysteriöse Erklärungen propagieren?
Hoos: Nein, das ist nicht so. Da wird oft zu viel in den handwerklichen Hintergrund des Kornkreismachens hineininterpretiert. Kornkreise machen ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Hexenwerk – und kein Alienwerk. Bei komplexen Strukturen ist präzise Planung erforderlich und später im Feld Disziplin innerhalb der Gruppe. Aber ansonsten ist da nichts Spektakuläres dabei, außer dass schon etwas Kondition gefordert ist. Aus letzterem Grund bin ich als Schreibtischtäter und Sportmuffel einige Male an meine Grenzen geraten. Aber wenn Sie in dem entsprechenden Personenkreis angekommen sind, dann wird sehr frei gesprochen und man zeigt sich auch neugierigen Nachfragen gegenüber durchaus offen.
Mit dem zweiten Teil Ihrer Frage sind Sie am Kern des „Phänomens Kornkreise“ angekommen. Für mich sind die Kornkreise – wie ich vorhin schon sagte – ein phantastisches psychologisches und soziologisches Phänomen. Das dürfte sich ja inzwischen aus einigen meiner Ausführungen erschlossen haben. Darin liegt auch eben die Triebfeder für dieses ganze Spiel, für dieses Katz-und-Maus-Spiel. Stellen Sie sich doch einfach vor: Sie sind nachts mit einigen Personen im Feld unterwegs, legen eine phantastische Formation an und erleben dann, wie die „Forscher“ einfallen und zu dem Ergebnis kommen: Das kann nicht menschengemacht sein! Sie hören von den ganzen Geschichten, die
beginnen, sich um den Kornkreis zu ranken… Von Anomalien, Lichterscheinungen und wer weiß, was alles.
Das liefert den Kick! Und vor allem liefert es tiefe Einblicke in die Glaubenswelten und die Psychologie von Menschen. Einmal durfte ich erleben, wie eine ältere Dame nach der Besichtigung „meines“ Werkes aus dem Feld kam und berichtete, sie hätte im Zentrum des Zentralkreises eine „auf dem Kopf stehende Pyramide gehört“. Eine solche Aussage wirft Fragen auf, deren Beantwortung nicht leicht ist…
Zum Bild – Harald Hoos: „Im Jahr 2003 haben wir ein Experiment durchgeführt. Vor Start der Kornkreissaison gaben wir bekannt, dass wir in der Saison eine Formation in Deutschland anlegen würden. Die Besucher unserer Homepage durften dann Tipps abgeben, um welche Formation es sich handelt. Ziel war, die Forschrszene zu beobachten, die auf diversen Homepages entdeckte Formationen immer als „echt“ oder „falsch“ einstuften. In diesem Sommer traute sich kaum ein Forscher ein Urteil abzugeben…
Copyright: Harald Hoos
Leick: Die südenglische Grafschaft Wiltshire scheint ein „Hotspot“ für Kornkreise zu sein. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Hoos: Da spielen für mein Dafürhalten zwei Faktoren eine entscheidende Rolle. Das Ganze mit den Kornkreisen hat eben in dieser Region begonnen, Ende der 1970er Jahre durch Doug Bower und Dave Chorley. Die beiden Herren, damals schon im Rentenalter, waren durch angebliche Ufo-Sichtungen in der Region inspiriert. Die Idee der Schelme war es, Ufo-Landespuren zu produzieren, um die Diskussion um Ufo-Sichtungen anzuheizen und einen neuen Aspekt hinzuzufügen. Was ihnen nachweislich gelungen ist!
Die ersten Kornkreise bekamen Beachtung, die Medien berichteten und im Laufe der Zeit kamen weitere Kornkreismacher hinzu. Eine Kornkreisszene entwickelte sich, aus allen Erdteilen reisten Neugierige an. Somit war Südengland der „Hotspot“. Der zweite Faktor ist meines Erachtens, dass die dortige Landschaft die ideale Leinwand für die Figuren im Feld darstellt. Die sanften Hügel, ausgedehnte Getreidefelder, all die prähistorischen Stätten wie Stonehenge usw. Die Landschaft an sich hat schon etwas Mystisches. Und vor allem sind die Einheimischen und die Besucher von ihrer Grundeinstellung her schon sehr empfänglich für etwas, das Übernatürliches vermuten lässt.
Man kann das „Phänomen Kornkreise“ aber auch ganz bewusst und gezielt platzieren. Das haben wir bewiesen, als wir ab 1997 begannen, Kornkreise im Raum Kassel „anzusiedeln“. Das Experiment ist gelungen, Kassel war einige Jahre der „Hotspot“ in Deutschland. Auch andere Kornkreismacher haben diese Erfahrung gemacht, so z. B. auf der Insel Rügen oder in einem Landstrich an der Schlei in Schleswig-Holstein.
Leick: Sie sind der Überzeugung, dass alle Kornkreise von Menschenhand stammen. Nun gibt es aber Argumente, die dagegen sprechen, wie die Exaktheit und Komplexität mancher Kornkreise. Es gibt die Vorstellung, dass solche
Kornkreise kaum in einer Nacht zu bewerkstelligen wären. Wie sehen Sie das?
Hoos: Fast alle bisher bekannten Kornkreisformationen sind in einer Nacht umsetzbar, aber eben teilweise mit erheblicher „Manpower“. So waren bei einigen Formationen in England mehr als ein Dutzend Leute im Feld am Werk. Ein paar der Formationen sind auch tatsächlich über mehrere Etappen, sprich mehrere Nächte, entstanden. Bei diesen Formationen wurden die Orte meist so gewählt, dass kaum die Gefahr einer zufälligen Entdeckung des unfertigen Kunstwerkes nach der ersten Arbeitsnacht bestand. Eine spätere, gezielte Entdeckung „anzuschubsen“ ist gar kein Problem. Oftmals sind die Kornkreismacher, die sich eben auch in der Szene tummeln, selbst die „Entdecker“. Dieses Verfahren haben die Gruppen, mit denen ich gearbeitet habe, selbst ein paar Mal praktiziert.
Was die Komplexität angeht, kann ich die Argumentation absolut nicht nachvollziehen. Alle bekannten Kornkreisgebilde basieren auf einfachen Konstruktionsmerkmalen und -schritten. Was auf den ersten Blick sehr komplex und kunstvoll wirkt, muss nicht unbedingt auf einer sehr komplizierten Konstruktion beruhen. Architekten bauen auch komplexe Gebilde nach Plan, ohne im Entstehungsprozess wirklich eine Gesamtschau auf den entstehenden Komplex zu haben. Unbedingt erforderlich sind – wie bereits gesagt – eine disziplinierte Gruppe nachts im Feld sowie gute Vorbereitung und Planung. Planungspannen und Diskussionen des Nachts im Feld sind der Tod eines Kornkunstwerkes. Das durfte ich selbst das eine oder andere Mal leidvoll erfahren. Immer wieder sieht man auch Kornkreise mit kleinen, nicht auf den ersten Blick ersichtlichen Fehlern, oder ganz missglückte Gebilde, wo hin und wieder der ursprüngliche Plan und die angestrebte Komplexität noch zu erkennen sind.
Leick: Ein weiteres, häufig vorgebrachtes Authentizitätskriterium soll das Fehlen von Fußspuren sein.
Hoos: Bei trockenem Feld hinterlässt das Anlegen einer Formation keine Spuren. Und selbst bei matschigem Boden ist es so, dass maximal in den Traktorspuren Fußabdrücke gefunden werden können. Denn bei dem eigentlichen Plattlegen des Korns gehen die Kreismacher bereits auf dem flachgelegten Getreide wie auf einem Teppich, ohne Spuren zu hinterlassen.
Auch das Argument, man könne nicht durch ein Feld gehen, ohne Schäden zu hinterlassen, ist nachweislich falsch! Wir haben Kornkreise in biologisch angebauten Feldern angelegt, die keine Traktorspuren haben, da nach der Aussaat das Feld nicht mehr befahren wird, um z. B. zu düngen. Dabei sind wir vorsichtig zwischen den Saatreihen gegangen, ohne einen sichtbaren Schaden zu hinterlassen. Das ist auch in konventionell angebauten Feldern möglich, wie wir auch vor laufender Kamera bewiesen haben.
Zum Bild – Harald Hoos: „Diese Formation wurde für Pro7 angelegt. Das Ganze fand tagsüber statt, mit einem Kamerateam im Feld. Dabei haben wir verschiedene Techniken gezeig und demonstriert, wie scnell gearbeitet werden kann, wie viele Quadratmeter Korn von zwei Personen in welcher Zeit platgelegt werden können.“
Copyright: Harald Hoos
Sollten wirklich einmal Spuren gefunden werden, sind diese von den Forschern auch mal schnell „weginterpretiert“. Dann waren die Verursacher einfach Besucher, die schon vorher im Feld waren. Wie gesagt: Die Welt wird sich zurechtgebogen, so wie es in das jeweilige persönliche Glaubensgerüst passt.
Leick: Das BLT Research Team, eine private, in den USA ansässige Einrichtung, hat Boden- und Halmuntersuchungen veröffentlicht. Hier hat man Anomalien an Getreideknoten, Verbrennungen der Halme und eine nicht natürliche Verteilung von Mineralien wie Hämatit und Magnetit festgestellt. Spricht das nicht gegen eine menschliche Erzeugung?
Hoos: Nein! Denn das, was BLT macht, ist unseriös und vollkommener Quatsch! Entschuldigen Sie, wenn ich das so direkt sage. Folgende Geschichte untermauert diese Aussage: 1998 haben wir in einem Viererteam einen Kornkreis bei Ehlen, das liegt auch im Raum Kassel, an der A44 angelegt. Es war eine Doppelspirale in einem Triticale-Feld [einer Weizen-Roggen- Kreuzung, d. Red.]. Und wie es der Zufall wollte, war kurz darauf Nancy Talbott vom BLT Research Team in Deutschland zu Gast. Es wurden Proben aus unserem Kornkreis entnommen und dann in Amerika durch BLT untersucht. Der Kreis selbst war zuvor schon von Forschern als „wahrscheinlich echt“ klassifiziert worden. Ein Argument war dabei die filigrane Struktur der Spiralen. Diese sei in dem hoch wachsenden Triticale-Feld – die Getreidehalme waren teilweise mannshoch – nicht von Menschen umzusetzen. Und es war in der Tat auch eine Herausforderung! Somit bestand aber bereits eine Erwartungshaltung bei der Untersuchung. Als der Bericht dann vorlag, war zu lesen, dass BLT zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich um einen „echten“ Kornkreis handeln musste, er also nicht menschlichen Ursprungs sein konnte. Bei der Entstehung der Formation hätte es wohl eine kurze, aber heftige Mikrowellenstrahlung gegeben, die Forscher wollen Verbrennungen an den Halmen und aufgeplatzte Halmknoten gefunden haben, und bei den Bodenproben wurden Schwermetalle nachgewiesen…
All das, was BLT nachgewiesen hat, sind natürliche Prozesse, die eintreten, wenn Getreide mechanisch platt gelegt wird. Vorhin habe ich schon die Sache mit „Bent, but not broken“ beschrieben. Wenn sich die Halme an den Wachstumsknoten wieder aufrichten, passiert das dadurch, dass die unten liegende Seite des Knotens quasi wuchert, also ein übermäßiges
Wachstum aufweist, das den Knoten überdehnt und wieder in Richtung Sonnenlicht aufrichtet. Pflanzenphysiologen nennen diesen Effekt Phototropismus. Dabei platzen die Knoten bisweilen auf und verfärben sich teilweise schwarz. Jeder kann all das selbst im Sommer an einem Feld beobachten und nachvollziehen. Der Hohn schlechthin war bei den BLT-Untersuchungen noch, dass aus einem nahegelegenen Windbruch „Referenzproben“ entnommen wurden.
Dort fand BLT die gleichen Veränderungen. Sie haben aber daraus nicht den Schluss gezogen, dass das Beobachtete natürlichen Ursprungs sei, sondern dass auch der Windbruch Bestandteil der Kornkreisformation wäre und durch dieselben mysteriösen Kräfte entstanden sei.
Mit Verlaub: Das hat nichts mit Wissenschaft zu tun, das geht in Richtung Dilettantismus. Hier werden Glaubensgerüste mit scheinbar wissenschaftlichen Methoden gestützt. Im Übrigen: In einem Kornkreis an der Autobahn kann man mit Sicherheit auch eine höhere Schwermetallbelastung im Boden finden als irgendwo in einer abgelegenen Landschaft mit wenig Infrastruktur.
Leick: Mein Eindruck ist, dass die Häufigkeit von Kornkreisen in den letzten Jahren abgenommen hat. Wiltshire hat sich dennoch zu so etwas wie der Touristenhochburg der Kornkreispilger entwickelt. Auch scheint die künstlerische Gestalt und Komplexität der Kornkreise zuzunehmen. Stimmen diese Eindrücke? Wie schätzen Sie als Beobachter und Kenner der Kornkreisszene die momentane Entwicklung und Situation ein?
Hoos: Ja, dieser Eindruck stimmt. Diese Entwicklung hat so gegen 2006 eingesetzt. Die erste und zweite Generation der Kornkreismacher hat sich zu dieser Zeit zurückgezogen. Das Katzund- Maus-Spiel zwischen Kornkreismachern
und Kornkreisforschern lief damals schon fast 30 Jahre – es wurde langweilig.
Harald Hoos beim nächtlichen Anlegen eines Kornkreises.
Copyright: kornkreise.de
Die Gruppen, die Anfang des neuen Jahrtausends nachgekommen sind, haben immer mehr den künstlerischen Aspekt in den Vordergrund gerückt. Die Kornkreismacher brachten andere Zielsetzungen in die Szene, sind oftmals in einen künstlerischen Wettstreit untereinander getreten. Zu dem Zeitpunkt haben sich auch viele Kornkreisforscher zurückgezogen, da die Erkenntnis, dass Kornkreise Menschenwerk sind, einfach nicht mehr wegzudrängen und
wegzureden war. Nur die Dogmatiker sind geblieben.
Zu dieser Zeit sind die Kornkreise auch mehr und mehr zu einer Touristenattraktion und zu einem Wirtschaftsfaktor geworden. Viele Einheimische haben jahrelang gutes Geld mit den Touristen und dem ganzen Drum und Dran gemacht. Selbst die Tourismusbüros der Region Wiltshire haben mit den Kornkreisen um Touristen geworben. So hatten nach und nach auch immer mehr Landwirte direkt ihre Finger im Spiel, hatten Kontakte zu den Kreismachern und gaben sogar direkt Kornkreise in Auftrag. Aber trotzdem blieb das Umfeld um die Kornkreismacher nach wie vor eine recht verschwiegene Szene.
Ich glaube, dass es mit den Kornkreisen auch noch weitergeht. Das Ganze ist in der Gesamtsicht derart faszinierend, dass Menschen aus verschiedensten Aspekten heraus immer noch und auch zukünftig davon angezogen werden.
Leick: Sind Sie noch in der Szene aktiv?
Hoos: Seit 2006/2007 bin ich nicht mehr in der Szene aktiv. Schon 2002 habe ich mich aus der FGK zurückgezogen. Natürlich interessieren mich die Kornkreise weiter, aber eben nur noch mit dem Blick aus der zweiten Reihe.
Für diesen Rückzug gab es mehrere Gründe. Der einfachste Grund ist der, dass – wie schon gesagt – irgendwann dieses „Katz-und-Maus-Spiel“ nichts Neues mehr hervorbringt. Ein weiterer Grund war, dass es mir ein Bedürfnis war, die Kornkreise, mit ihrem wirklich phantastischen Hintergrund, in die Medien zu bringen und die Zusammenhänge aufzuzeigen. Dazu haben Florian Brunner und ich 2002 eine Multimediaschau konzipiert und sind damit durchs Land getingelt. Damals war ein Medienhype um die Kornfeldfiguren im Gange, wir haben dabei u. a. mit allen namhaften Fernsehanstalten und deren verschiedenen Formaten zusammengearbeitet.
Das war eine spannende und interessante Zeit. Berichte darüber würden jeden Rahmen des Interviews sprengen. Und diese Aktivitäten haben natürlich ein Verbleiben in der Kornkreisszene kaum möglich gemacht. Aber der wichtigste Grund war der, dass ich mehr als einmal erschrocken dagestanden bin, als ich merkte, wie über das „Medium Kornkreise“ Menschen unwillkürlich manipuliert wurden. Es werden Erwartungen geweckt, Kornkreise sind für viele Enthusiasten
zum Lebensinhalt geworden.
Ohne zu übertreiben, kann von einer Ersatzreligion gesprochen werden. Das geht in Einzelfällen so weit, dass psychisch labile Personen aus der Beschäftigung auf diesem Gebiet Lebenskraft ziehen und damit Stabilität erlangen – wie bei einem Gottesglauben. Dieser Umstand ist ja zunächst nichts Schlechtes. Aber diesen Schuh wollte ich mir nicht weiter anziehen. So wurde in einer unserer Formationen 2004 dann eine Art Gottesdienst abgehalten.
Menschen mit Gewändern pilgerten ins Feld. Da bin ich schwer ins Grübeln gekommen. Zugegeben, diese Aussage lässt sich schwer in Einklang bringen mit der Tatsache, dass ich mit dem Publizieren der Hintergründe natürlich auf eine gewisse Weise die Kornkreise etwas entzaubert habe. An diesem Punkt war ich sehr lange festgehangen, um eine Antwort für mich zu finden. Meine atheistische Weltsicht hat dabei sicher auch eine Rolle gespielt.
Eine weitere von Harald Hoos und Florian Brunner angelegte Formation.
Coypright: Harald Hoos
Leick: Welche Reaktionen haben Sie auf Ihr „Outing“ erlebt? Sie haben für viele Formationen „die Verantwortung übernommen“, darunter auch solche, die jenseits aller Zweifel als „echt“ galten…
Hoos: Da kann ich direkt an die vorige Antwort anknüpfen. An dem Punkt, als ich vor der Frage „Publizieren oder nicht“ stand, kam ein Schubs, der mich in diesem Vorhaben bestärkt hat. Die Reaktion der Kornkreisenthusiasten auf mein erstes „Outing“ war die, dass ich mir das alles ausgedacht hätte, die Worte „Wichtigtuer“ und „Lügner“ kamen mehr als einmal ins Spiel. Andere mutmaßten, dass ich von irgendeiner Stelle viel Geld bekäme, damit ich all dies erzählte.
Das war die Fraktion der Verschwörungstheoretiker. Am häufigsten kam der Vorwurf, ich könnte das eh alles nicht beweisen. Kurzum: In der Szene wurde einfach alles weggeredet, das Buch „Kornkreise – der größte Streich seit Max und Moritz“ von Florian Brunner und mir einfach als Humbug abgetan.
In der Kornkreisszene selbst hat sich, mal abgesehen von einer gewissen Aufregung, nichts geändert. Es ging fast so weiter, als wäre nichts passiert. Dieser Zustand hält bis heute so an. Aber im Gegenzug dazu haben Florian und ich vielen Menschen die Gelegenheit gegeben, einen Blick in ein faszinierendes – ich wiederhole mich – faszinierendes psychologisches und soziologisches Phänomen zu werfen.
Hinzu kommt, dass die gewonnenen Erkenntnisse ja nicht am Feldrand ihre Gültigkeit verlieren. Was ich damit sagen möchte: Erkenntnisse über Strukturen und menschliches Verhalten, die mir durch die intensive Beschäftigung mit dem Gesamtgebilde Kornkreise zugänglich geworden sind, können die Sicht auf andere Lebensbereiche verändern und schärfen.
Somit empfinde ich diese fast 15 Jahre in der Kornkreisszene als enorme Bereicherung für mein Leben.
Leick: Vielen Dank für das Gespräch.
Literatur:
Hoos, H.; Brunner, F. (2002): Kornkreise – Rätsel in mystischer Landschaft. Annäherung an ein Phänomen.
Beust Verlag, München.
Brunner, F.; Hoos, H. (2005): Kornkreise – Der größte Streich seit Max und Moritz. Geistkirch Verlag,
Saarbrücken.
Hoos, H. (2004): Zu den Hintergründen des Kornkreisphänomens und der Kornkreisforschung. Zeitschrift
für Anomalistik 4/2004Harald Hoos: Der Verleger und Mediendienstleister Harald Hoos, 46, gilt als exzellenter Kenner der internationalen Kornkreisszene. Von 1996 bis 2001 war er im Vorstand der Forschungsgesellschaft Kornkreise e. V (FGK) und bis 2002 Redakteur ihrer Zeitschrift FGK-Report. Seine Auffassung, Kornkreise seien Menschenwerk, vertrat er auch innerhalb der FGK offen und setzte sich in seiner Zeit als Vorstand für kontrollierte Experimente ein, bei denen auch Kornkreise anzulegen waren. Darüber hinaus war er insgeheim auch als Kornkreiskünstler aktiv und führte so innerhalb der FGK eine Art Doppelleben, denn indem er viele der Kornkreise herstellte, die später von anderen Kornkreisforschern, auch von FGK-Mitgliedern, entdeckt und untersucht wurden, führte er seine Vereinskameraden in gewisser Weise hinters Licht. Harald Hoos betreibt gemeinsam mit Florian Brunner die Webseite www.kornkreise.de und hat über seine Erfahrungen in der Szene mehrere Publikationen geschrieben, in denen er auch seine Rolle als Kornkreiskünstler thematisiert hat.