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So funktioniert Wissenschaft: Falsches Fossil schreibt die Geschichte des indischen Subkontinents erneut um

Was zunächst wie ein „Dickinsonia-Fossil” erschien (r.), war schon ein Jahr später stark verwittert (l.) – ungewöhnlich für Fosslien.Copyright: Gregory Retallack/Joe Meert
Was zunächst wie ein „Dickinsonia-Fossil” erschien (r.), war schon ein Jahr später stark verwittert (l.) – ungewöhnlich für Fosslien.
Copyright: Gregory Retallack/Joe Meert

Gainesville (USA) – 2020 entdeckten Geologen in den indischen Bhimbetka-Felsformationen nahe Bhopal erstmals ein Fossil der Gattung Dickinsonia, und damit einer der ersten Tierarten, die vor rund 550 Millionen die Meere bevölkerten. Mit dem für Indien bislang einzigartigen Fund schien auch eine lange wissenschaftliche Kontroverse um das Alter der Art des Gesteins der Felsformation beigelegt, das zugleich einen Großteil des indischen Subkontinents bildet. Eine erneute Untersuchung der Fossilien vor Ort offenbarte nun jedoch einen wissenschaftlichen Irrtum.

Wie das Team um den Geologieprofessor Joseph Meert von der University of Florida aktuell in einem Letter im Fachjournal “Gondwana Research” (DOI: 10.1016/j.gr.2023.01.004) berichtet, konnten sie das vermeintliche Dickinsonia-Fossil im vergangenen Jahr erneut vor Ort in Augenschein nehmen: “Wir bemerkten direkt, dass das Fossil selbst in der kurzen Zwischenzeit stark verwittert war, was ungewöhnlich für Fossilien ist. Ich habe gleich gedacht, dass da etwas nicht stimmt“, erinnert sich der Wissenschaftler. „Das Fossil schien sich von der Wand zu lösen.“

Die Höhlen nahe Bhopal sind für ihre prähistorischen Höhlenkunst bekannt. Da sich hier lange Zeit keine Fossilien fanden, taten sich Geologen schwer mit einer Datierung des Gesteins.Copyright: Joseph Meert
Die Höhlen nahe Bhopal sind für ihre prähistorischen Höhlenkunst bekannt. Da sich hier lange Zeit keine Fossilien fanden, taten sich Geologen schwer mit einer Datierung des Gesteins.
Copyright: Joseph Meert

Zudem war das Fossil nahezu vertikal zu den Wänden der Höhle ausgerichtet. „Auch das war ungewöhnlich, denn gerade diese flachen Fossilien sollten eigentlich flach am Boden oder der Höhlendecke, eben parallel zu den Felsstrukturen, gefunden werden.

Gemeinsam mit den Studenten Samuel Kwafo, Ananya Singha und Professor Manoj Pandit von der University of Rajasthan untersuchten die US-Forschenden sodann das Fossil und seine Umgebung genauer. Hierbei fielen den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen große Wildbienennester auf, die in der ganzen Umgebung von den Felsüberhängen und in Nischen teils vertikal zu den Gesteinsschichten herabhängen. „Das Fossil glich den Resten dieser Nester am Fels.”

Riesige Bienennester finden sich überall an den Felsüberhängen der Bhimbetka-Formation. Werden diese verlassen, verwittern sie und erinnern dann zeitweise an die Fossilien der primitiven Tiergattung DickinsoniaCopyright: Joseph Meert
Riesige Bienennester finden sich überall an den Felsüberhängen der Bhimbetka-Formation. Werden diese verlassen, verwittern sie und erinnern dann zeitweise an die Fossilien der primitiven Tiergattung Dickinsonia
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Das ursprüngliche „Dickinsonia-Fossil“ bei seiner Entdeckung 2020 (l.), die Reste eines jungen Bienennestes (Mitte) und eine Detailvergrößerung der „Fossilien“-Struktur (r.).Copyright/Quelle: Meert et al., Gondwana Research 2023
Das ursprüngliche „Dickinsonia-Fossil“ bei seiner Entdeckung 2020 (l.), die Reste eines jungen Bienennestes (Mitte) und eine Detailvergrößerung der „Fossilien“-Struktur (r.).
Copyright/Quelle: Meert et al., Gondwana Research 2023

Gemeinsam mit den Autoren des ursprünglichen Fachartikels (der im Februar 2021 ebenfalls in Gondwana Research) über die Entdeckung des „Fossils“ um Prof. Gregory Retallack von der University of Oregon kommen Meert, Pandit, Kollegen und Kolleginnen nun darin überein, dass es sich bei der ursprünglich als Dickinsonia-Fossil gedeuteten Struktur in Wirklichkeit um die jungen Überreste eines solchen Bienennestes handelt, die im Verlauf des Verwitterungsprozesses für vergleichsweise kurze Zeit tatsächlich einen Dickinsonia-Fossil gleichen.

Dickinsonia-Fossil von der Küste des Weißen Meeres.
Copyright: Ilja Bobrovskiy, ANU

„Diese Art der Selbstkorrektur ist eines der Fundamente und Grundprinzipien der wissenschaftlichen Methode“, erläutert die Pressemitteilung der University of Florida und führt dazu weiter aus: „Tatsächlich fällt es vielen Wissenschaftlern aber oft schwer, einen solchen Fehler einzugestehen und ja, das passiert eher selten. Umso wichtiger ist es aber, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Angesicht neuer Beweise anerkennen.“

Die Korrektur dieses Fossils und der damit einhergehenden Datierung eröffnet nun wieder Raum für die Kontroverse um das Alter des Gesteins, in dem sich sonst keine Fossilen finden. „Weiterhin deuten die Analysen des radioaktiven Zerfalls kleiner Zirkonkristalle und die magnetische Signatur darauf hin, dass das Gesteinsalter eher in Richtung einer Milliarde Jahre tendiert“, so Meert. Andere Wissenschaftler und Wissenschaftler verweisen hingegen auf Untersuchungsergebnisse, die ein jüngeres Alter (ca. 560 Mio. Jahre …GreWi berichtete) nahelegen und sahen schienen durch das „Dickinsonia-Fossil“ zunächst bestätigt.

Eine genaue Altersbestimmung ist wichtig, um die Evolution des Lebens in der Gegend und die Entstehungsprozesse des indischen Subkontinents besser zu verstehen. „Man mag vielleicht meinen, dass es doch keinen großen Unterschied macht, ob wir von 550 Millionen oder 1 Milliarde Jahren ausgehen. Doch tatsächlich hat dieser Unterschied gravierende Auswirkungen“, erläutert Meert abschließend. „Es geht hier um die damalige Paläogeografie, um die Frage danach, was mit den Kontinenten geschah, wo sich die Kontinente befanden und wie sie sich angeordnet haben. Es handelt sich zudem um eine Zeit, als das Leben grundlegende Veränderungen durchlief – von sehr einfachen Fossilien hin zu komplexeren Formen. (…) Wenn wir also die Paläogeografie dieser Zeit verstehen wollen, so ist die Datierung dieses Gesteins von großer Bedeutung.“




WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
558 Millionen Jahre alt: Lipide identifizieren mit Dickinsonia älteste Tierart 21. September 2018

Recherchequelle: University of Florida, Gondwana Research

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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