Lissabon (Portugal) – Wie andere Sterne, so ist auch unsere Sonne gemeinsam mit zahlreichen anderen in einem Sternentstehungshaufen „geboren“ worden. Während die meisten Sterne Teil eines Zwei- oder sogar Dreifachsternsystem sind, gibt es jedoch im Sonnensystem nur einen Stern – eben unsere Sonne. Jetzt sind sich Astronomen sicher, den „verlorenen Zwilling“ unserer Sonne gefunden zu haben und spekulieren auch schon über dortiges Leben.
Wie das Team um Vardan Adibekyan vom Instituto de Astrofísica e Ciências do Espaço (IA) aktuell im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ (DOI: 10.1051/0004-6361/201834285) berichtet, handele es sich bei dem 184 Lichtjahre entfernten Stern „HD186302“ mit großer Wahrscheinlichkeit um zumindest einen der einstigen direkten Geschwister-Sterne unserer Sonne – wenn nicht sogar um deren „eineiigen Zwilling“.
Tatsächlich entstehen fast alle Sterne gemeinsam mit tausenden anderer Sterne in Gruppen, sogenannten Sternentstehungsgebieten aus gewaltigen Wolken kosmischer Gase und Staub, die sich unter ihrem eigenen Gewicht zu Sternen ballen. Es entstehen erste Systeme aus meist zwei oder auch drei Sternen. Wissenschaftler schätzen, dass bis zu 85 Prozent aller Sterne Teil eines binären, von Drei oder sogar Vierfachsternsystems und mindestens 50 Prozent aller sonnenähnlichen Sterne Teil eines Binärsystems (zwei Sterne) sind.
Während unsere Sonne als Einzelstern also zu den Ausnahmen zählt, vermuten viele Wissenschaftler, dass auch sie einst Teil eines Binärsystems war. Tatsächlich zeigen jüngste Studien, dass vermutlich alle Zwergsterne (zu denen unsere Sonne zählt) ursprünglich als Zwillinge entstehen.
Ob auch unsere Sonne einst einen solchen direkten Zwilling hatte, ist noch unklar. Ziemlich sicher hat sie aber irgendwo in unserer Milchstraße sehr enge „Geschwister“. Diese jedoch zu finden ist aufgrund der weiten Verteilungsmöglichkeiten der Sterne in unserer Galaxie nicht einfach.
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Bislang haben Astronomen erst einige wenige Kandidaten ausgemacht. Adibekyan und Kollegen haben nun im Rahmen des nach Sonnen-Geschwistern suchenden AMBRE-Projekts jedoch mit Hilfe der Daten des europäischen Gaia-Satelliten verbesserte Instrumente und Technologien angewandt, um u.a. die chemischen Zusammensetzungen und astrometrische Sternendaten auszuwerten.
Mit HD186302 glauben die Astronomen nun einen ganz besonderen dieser Sonnengeschwister entdeckt zu haben. Nicht nur dass der Stern nur minimal größer ist als die Sonne, er besitzt auch nahezu die gleiche Helligkeit, Oberflächentemperatur sowie eine nahezu identische chemische Zusammensetzung und ist ebenfalls rund 4,5 Milliarden Jahre alt. Damit gleicht HD186302 unserer Sonne noch mehr als der 2014 entdeckte Stern HD162826, der bislang als unserer Sonne am ähnlichsten galt.
Da wir bislang nicht genau wissen, wo genau unsere eigenen Sonne einst entstanden ist, erlaubt jeder neu entdeckte Geschwisterstern auch neue Einblicke und Erkenntnisse über die Geschichte unseres Zentralgestirns.
Da sich Leben von Planet zu Planet und sogar zwischen ganzen Planetensystemen verbreiten kann, könnten Sonnen-Geschwister nicht zuletzt auch faszinierende Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben sein.
Auch Adibekyan und Kollegen zeigen sich von dieser Möglichkeit abschließend vorsichtig fasziniert: „Einige theoretische Berechnungen zeigen, dass es eine nicht zu vernachlässigende Wahrscheinlichkeit dafür gibt, dass das Leben von der Erde während der Zeit des sog. Großen Bombardements (Anm. GreWi: als das Sonnensystem etwa 600 Millionen Jahre alt war) auch auf andere Planeten im Sonnensystem oder sogar darüber hinaus verteilt wurde. Wenn wir Glück haben und der nun gefundene Sonnen-Zwilling auch einen Felsplaneten innerhalb der habitablen (also lebensfreundlichen) Zone besitzt, so könnte dieser Planet vielleicht auch mit der Saat des irdischen Lebens ‚kontaminiert‘ worden sein. Dann hätten wir vielleicht nicht nur eine ‚Sonne 2.0‘ sondern auch eine dortige ‚Erde 2.0‘.“
In der Hoffnung, um HD186302 eine solche „Erde 2.0“ zu finden, plant das Team derzeit Beobachtungen des Stern mit den Planetensuch-Spektrografen HARPS und ESPRESSO am VLT-Teleskop der europäischen Südsternwarte in Chile (…GreWi berichtete).
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