Soundscapes könnten prähistorische Felskunst inspiriert haben
Helsinki (Finnland) – Orte mit prähistorischen Felsmalereien in Finnland verfügen über gemeinsame akustische Eigenschaften. Wie finnische Forscher in einer aktuellen Studie zeigen, könnte dies die Felsenkunst inspiriert haben.
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Wie das Team um Perttu Kesäniemi und Mikko Ojanen von der Universität Helsinki aktuell im Fachjournal „Sound Studies“ (DOI: 10.1080/20551940.2024.2419293) berichten, führten sie akustische Impulsantwortmessungen von 37 Felsmalereien durch. Hierbei stellten sie fest, dass dieselben vertikalen Felswände, auf denen Elche, Menschen und Boote abgebildet sind, auch effektive Schallreflektoren sind.
Mit dem Akustik-Floß in die Jungstein- und Bronzezeit
„Die prähistorischen Felsmalereien von Siliävuori (5000–1500 v. Chr.) auf den Klippen, die direkt aus den Seen aufragen, sind akustisch betrachtet besondere Umgebungen“, erläutern die Forschenden ihre Entdeckung zu den der Eigenschaften von Klanglandschaften, sogenannten Soundscapes. „Wenn die Wasserstände der Seen konstant blieben, erzeugten diese extrem glatten Felsoberflächen deutliche, einzelne Echo-Wiederholungen, die die erzeugten Klänge präzise kopierten.
Auf diese Weise entstanden sogenannte auditive Spiegelbilder, die den Eindruck vermittelten, als kämen sie hinter den Felswänden hervor. Die angrenzenden, zerklüfteten Klippen am Seeufer erzeugten hingegen schwächere und weniger deutliche Echos. Die einst genutzten Wohnorte an den Sandufern derselben Gewässer wiesen überhaupt keine hörbaren Echos auf.
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„Unsere Daten zeigen, dass prähistorische Jäger und Sammler, die sich den Felsmalereien über das Wasser näherten, eine besondere sensorische Umgebung betraten, in der die Realität regelrecht doppelt klang“, so die ebenfalls beteiligte Archäologin Riitta Rainio. „Nach dem verwendeten psychoakustischen Kriterium sind die Echos so stark, dass es keinen Grund gibt, anzunehmen, dass die Menschen damals diese nicht wahrgenommen haben. Die Menschen hörten also, wie die gemalten Elche sprachen, und die menschlichen Figuren antworteten mit einer Stimme, die ihrer eigenen ähnelte.“
Felsmalereien und Schallphänomene
Auch die Expertin für Ethnomusik Julia Shpinitskaya zeigt sich begeistert von den Ergebnissen des mehrjährigen Projekts: „Obwohl die von prähistorischen Menschen erzeugten Klänge für uns unerreichbar sind, zeigt diese Studie ein zentrales Merkmal der sensorischen Erfahrungen, die mit den Felsmalereien am Wasser verbunden sind. Die Schallreflexionen spielten vermutlich eine starke Rolle bei den Aktivitäten und machten die Klippen zu energetischen und aktiven Akteuren.“
Die Möglichkeit, mit der physischen Umwelt oder einer mehr-als-menschlichen Realität wechselseitig zu kommunizieren, könnte ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, dass diese Klippen besucht, bemalt und mit Opfergaben bedacht wurden, vermuten die Forschenden abschließend. „Für die Geschichte von Klang und Musik bietet die Studie ein Beispiel dafür, welche wichtige Rolle Schallreflexionen in vergangenen Gesellschaften gespielt haben könnten.“
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Recherchequelle: Universität Helsinki
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