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Sozialethikerin fordert: „Religionsfreiheit für alle – entgegen AfD-Polemiken“

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Symblbild: Artikel 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

Mainz (Deutschland) – Die Sozialethikerin Heimbach-Steins sieht das Menschenrecht auf Religionsfreiheit zunehmend unter Druck und in Gefahr der politischen Vereinnahmung und fordert: „Eine Plurale Gesellschaft sollte den Streit über Weltanschauungen bewusst kultivieren.“

– Bei diesem Text handelt es sich um eine Pressemitteilung des Exzellenzclusters Religion & Politik an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Das Recht auf Religionsfreiheit gilt Wissenschaftlern zufolge für alle Religionen gleich und lässt sich entgegen Anti-Islam-Positionen der AfD nicht verschiedenen Religionen unterschiedlich stark zusprechen. „Wer die Religionsfreiheit für politische oder religiöse Einzelinteressen vereinnahmt, unterläuft ihren menschenrechtlichen Charakter“, sagte die Sozialethikerin und Menschenrechtsexpertin Prof. Dr. Heimbach-Steins vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster am Dienstagabend in der Ringvorlesung „Religionspolitik heute“. Die Religionsfreiheit diene gerade nicht dazu, „eine bestimmte Religion unter ‚Artenschutz‘ zu stellen“ oder andere auszuschließen. Sie lasse sich auch nicht unter einen Kulturvorbehalt stellen, wie es AfD-Mitglieder für den Islam versuchten, nach deren Auffassung Religionen nur dann von der Religionsfreiheit profitieren könnten, wenn sie in der entsprechenden Kultur „nicht fremd“ seien.

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In der weltanschaulich und religiös zunehmend vielfältigen Gesellschaft werde das Menschenrecht auf Religionsfreiheit künftig noch mehr in Frage gestellt, prognostizierte die Wissenschaftlerin. Die Religionsfreiheit gerate gerade dort unter Druck, wo der Verdacht bestehe, sie diene „bloßen Partikularinteressen oder Privilegien“. Wer glaube, der Staat solle eine bestimmte Religion schützen und ihre Dominanz sichern, verfehle jedoch den Anspruch der Religionsfreiheit im Kern. Diese Position, die die katholische Kirche früher vertreten habe, sei heute noch in islamischen Staaten anzutreffen. „Stattdessen sollten Gesellschaften sich der Herausforderung der Vielfalt stellen und den Streit über Weltanschauungen kultivieren“, sagte die Wissenschaftlerin. „Weltanschauliche und religiöse Spannungen sind nicht durch staatlich verordnete Privatisierung oder Verbannung irritierender Überzeugungen und deren Äußerung aus dem öffentlichen Raum zu lösen.“

„Unterschied Islam und Islamismus wird polemisch negiert“

Die Religionsfreiheit gerät nach den Worten der Wissenschaftlerin heute außerdem dort unter Druck, wo sie „tatsächlich für Einzelinteressen instrumentalisiert wird, sei es zur Legitimation fragwürdiger politischer Ziele oder als Projektionsfolie für Fremdenfeindlichkeit“. Auch das lasse sich an AfD-Positionen veranschaulichen, die etwa Minarette als Symbole des Herrschaftsanspruchs eines politischen Islams verbieten wollten. „In polemischer Absicht wird hier die Differenz zwischen Islam und Islamismus negiert.“

02747Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins
Copyright: maz

Stattdessen gelte es in der Gesellschaft, die weltanschaulichen Positionen anderer ernst zu nehmen, unterstrich die Forscherin. „Es geht darum, die nicht geteilten oder sogar ausdrücklich abgelehnten Überzeugungen anderer zu tolerieren, solange sie nicht ihrerseits das respektvolle Miteinander untergraben, wie es im Fall von Hass und Gewalt der Fall ist.“

Bislang würden Auseinandersetzungen um Religion in der Öffentlichkeit, vom Kopftuch bis zum Kruzifix, oft den Gerichten überlassen, führte Marianne Heimbach-Steins aus. Notwendig sei aber die Auseinandersetzung in der Bevölkerung: „Ob Anhänger eines bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses oder Menschen, die generell gegen Religionen sind: In einer religionsfreiheitlichen Gesellschaft haben alle die Pluralität von Religion und Weltanschauung zu ertragen und sich der Auseinandersetzung zu stellen.

„Konflikte ohne Gewalt austragen.“

Eine solche „Kultivierung der Religionsfreiheit“ gelinge nur, so die katholische Theologin, wenn alle zur zivilisierten Konfliktaustragung bereit seien und darauf verzichteten, „das Eigene gegebenenfalls gewaltsam gegen konkurrierende Überzeugungen durchzusetzen“. Dazu gehöre es auch, die „Provokation und Infragestellung religiöser Traditionen“ auszuhalten, Streit darüber zu führen und dabei die eigene Überzeugung zu erläutern. „Das gilt für alle – auch für nicht-religiöse Überzeugungen“, unterstrich Prof. Heimbach-Steins. „Es kann nicht darum gehen, allein religiöse Überzeugungen unter Rechtfertigungspflicht zu stellen, und ihnen damit per se die Legitimität streitig zu machen – sei es im Zeichen eines Rationalitätsverständnisses, das für Religion keinen Sensus hat, oder im Zeichen des Generalverdachts der sozialen Unverträglichkeit.“

Die Ethikerin unterstrich, das Recht auf positive wie negative Religionsfreiheit schütze nicht abstrakt „Religion“ oder „Weltanschauung“, sondern die Freiheit der Person, einen religiösen Glauben oder eine Weltanschauung zu haben und danach zu leben. Im öffentlichen Raum könnten unterschiedliche Interessen aufeinanderstoßen, wie Konflikte von religiöser Kleidung in Schulen bis zu Moscheebauten gezeigt hätten. „Bei konkurrierenden Freiheitsansprüchen ist ein fairer Ausgleich zu suchen“, so die Theologin. In einer freiheitlichen Ordnung sollten aber Freiheitseinschränkungen in der Religionsausübung die Ausnahme bleiben. Sie sollten zudem auf Gesetzen basieren und „transparent, nachvollziehbar und verhältnismäßig“ sein.

„Kirchen und Religionen sind in der Pflicht“

Die Sozialethikerin hob hervor, neben dem Staat stünden auch die Religionsgemeinschaften und Kirchen in der Verantwortung für das Gut der religiösen Freiheit: Gerade in pluralen Gesellschaften, in denen keine selbstverständliche „kulturelle Affinität“ zu einer bestimmten Religion mehr bestehe, sollten sie sich an der Auseinandersetzung der Positionen beteiligen. „Das gilt auch in unseren traditionell vom Christentum durchformten, säkularen und weltanschaulich stark pluralisierten Gemeinwesen.“ In der Debatten zur konkreten Auslegung der Religionsfreiheit sei somit die Grenze „nicht zwischen Religion und Nicht-Religion zu ziehen, sondern zwischen der Bereitschaft zur zivilisierten Konfliktaustragung und dem Versuch, das Eigene hegemonial, gegebenenfalls gewaltsam gegen konkurrierende Überzeugungen durchzusetzen.“
(maz/vvm)

© uni-muenster.de

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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