Lyon (Frankreich) – Bei dem Bemühen, die Wahrscheinlichkeit für flüssiges Wasser auf erdartigen Exoplaneten abzuschätzen, haben Wissenschaftler erstmals ein Modell einbezogen, das auch unter der Oberfläche existierendes flüssiges Wasser berücksichtigt. Die Forschenden kommen zu dem Schluss, dass es wahrscheinlich 100-mal mehr erdartige Exoplaneten mit flüssigem Wasser geben könnte, als bisher angenommen. Dadurch steigt auch die Wahrscheinlichkeit außerirdischen Lebens deutlich an.
Wie das Team um Dr. Lujendra Ojha von der Rutgers University aktuell auf der Goldschmidt Geochemistry Conference in Lyon und im Fachjournal „Nature Communications“ (DOI: 10.1038/s41467-023-37487-9) berichtet, erkennt ihre Studie an, dass Wasser auch an Orten existieren kann, die bisher nicht in Betracht gezogen wurden.
Selbst wenn die Oberfläche eines Planeten zu kalt und gefroren ist, gibt es mindestens zwei Wege, wie das Planeteninnere genug Wärme erzeugen kann, um flüssiges Wasser im Untergrund zu halten: „Wir kennen auf der Erde glücklicherweise eine Atmosphäre, die von Treibhausgasen erwärmt wird und die Existenz von flüssigem Wasser an der Oberfläche ermöglicht. Wenn die Erde jedoch keine Treibhausgase hätte, wäre die Durchschnittstemperatur bei -18 Grad Celsius und die Oberfläche wäre größtenteils eingefroren“, erklärt Ojha. „Vor einigen Milliarden Jahren war dies tatsächlich der Fall, aber das bedeutet nicht, dass das Wasser überall vollständig gefroren war. Die Wärme durch Radioaktivität tief in der Erde kann das Wasser so weit erwärmen, dass es flüssig bleibt. Wir beobachten dies auch heute noch an Orten wie der Antarktis und der kanadischen Arktis, wo es trotz der eisigen Temperaturen große unterirdische Seen mit flüssigem Wasser gibt, die von der durch Radioaktivität erzeugten Wärme gespeist werden. Es gibt sogar einige Beweise dafür, dass so etwas derzeit auch am Südpol des Mars der Fall ist (…GreWi berichtete).“
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Als weitere Beispiele nennt Ojha zahlreiche Monde im Sonnensystem, wie zum Beispiel Europa oder Enceladus, die unter ihrer eisigen Kruste flüssige Wasserozeane beherbergen. „Dies liegt daran, dass ihr Inneres ständig durch die Gravitationseffekte ihrer Planeten aufgewühlt wird (…). Auf diese Weise werden die Monde von Jupiter und Saturn zu erstklassigen Kandidaten für die Suche nach außerirdischem Leben in unserem Sonnensystem.“
Für ihre Analyse untersuchten die Forschenden Planeten, die um die häufigste Art von Sternen gefunden wurden: Zwergsterne, sogenannte M-Zwerge. Diese Sterne sind viel kälter als unsere Sonne. „Etwa 70 Prozent der Sterne in unserer Galaxie sind M-Zwerge, und die meisten bisher gefundenen felsigen, erdartigen oder erdähnlichen Exoplaneten umkreisen solche M-Zwerge. Wir haben die Möglichkeit der Erzeugung und Aufrechterhaltung von flüssigem Wasser auf Exoplaneten, die M-Zwerge umkreisen, modelliert, indem wir nur die vom Planeten erzeugte Wärme berücksichtigt haben. Dabei haben wir festgestellt, dass ein hoher Prozentsatz von flüssigem Wasser wahrscheinlich durch Radioaktivität erzeugt wird. Die Anzahl dieser Planeten ist nun deutlich höher als bisher angenommen.“
Vor der Studie, die nun auch unterirdische Gewässer als potenzielle Habitate in Betracht zieht, lag die Schätzung bei einer Wahrscheinlichkeit für flüssiges Wasser von etwa einem solchen Planeten pro 100 Sternen. Basierend auf dem neuen Modell liegt dieser Wert nun bei einem Planeten pro Stern. „Es ist hundertmal wahrscheinlicher, flüssiges Wasser zu finden, als wir bisher dachten“, so Ojha. „In der Milchstraße gibt es etwa 100 Milliarden Sterne. Das sind wirklich gute Chancen für die Entstehung von Leben auch anderswo im Universum.“
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