Studie ergründet, warum wir uns an unsere Träume erinnern

Copyright: Gemeinfrei / Google Cultural Institute
Lucca (Italien) – Ob wir uns an unsere Träume erinnern können, hängt vermutlich sowohl von individuellen Merkmalen als auch von äußeren Faktoren ab. Eine aktuelle Studie hat die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf das Erinnern von Träumen untersucht.
Wie das Team um Professor Giulio Bernardi von der IMT School for Advanced Studies Lucca in Zusammenarbeit mit der Universität Camerino aktuell im Nature-Fachjournal „Communications Psychology“ (DOI: 10.1038/s44271-025-00191-z) berichten, ist es auffällig, dass sich einige Menschen auch noch nach dem Erwachen lebhaft und teils detailreich an ihre Träume erinnern können, andere selten, kaum oder gar nicht. In ihrer Studie haben die Forschenden die Frag untersucht, warum wir uns an Träume erinnern und haben sich dabei jenen individuellen Merkmalen und Schlafmustern genähert, die die Traumerinnerung offenbar prägen.
Schon zuvor hatten einige Studien nahegelegt, dass besonders Frauen, junge Menschen oder Personen mit einer Neigung zum Tagträumen ihre Träume besser behalten. Allerdings gab es hierzu auch gegenteilige Studien, die diese Ergebnisse nicht bestätigen konnten. Hypothesen, wonach Persönlichkeitseigenschaften oder kognitive Fähigkeiten eine Rolle spielen, fanden noch weniger Unterstützung in den Daten.
Während der COVID-19-Pandemie rückte die Frage nach individuellen Unterschieden in der morgendlichen Traumerinnerung erneut in den Fokus der Wissenschaft, da weltweit ein plötzlicher Anstieg der Traumerinnerung berichtet wurde.
Die neue Studie basiert nun auf Daten, die von 2020 bis 2024 ermittelt wurden und umfasst mehr als 200 Teilnehmer im Alter von 18 bis 70 Jahren. Diese Personen führten über einen Zeitraum von 15 Tagen ein tägliches Traumtagebuch, während ihre Schlaf- und Kognitionsdaten mit tragbaren Geräten (Aktigraphen, eine am Handgelenk getragene Schlafüberwachungsuhr, die Schlafdauer, -effizienz und -störungen erfasst) und psychometrischen Tests erfasst wurden. Alle Teilnehmer erhielt ein Diktiergerät, um direkt nach dem Aufwachen über die Traumerfahrungen zu berichten. Sie gaben an, ob sie sich an einen Traum erinnern konnten, ob sie das Gefühl hatten, geträumt zu haben, aber keine Details wussten, oder beschrieben – falls möglich – den Inhalt des Traums. Zu Beginn und am Ende der Traumaufzeichnungsperiode wurden psychologische Tests und Fragebögen durchgeführt, die verschiedene Faktoren wie Angstlevel, Interesse an Träumen, Neigung zum „Mind-Wandering“ (die Tendenz, die Aufmerksamkeit häufig von der aktuellen Aufgabe auf irrelevante Gedanken oder innere Reflexionen zu verlagern) sowie Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsleistungen ermittelten.
„Die Traumerinnerung – definiert als die Wahrscheinlichkeit, mit Eindrücken und Erinnerungen an ein Traumgeschehen aufzuwachen – zeigte erhebliche individuelle Unterschiede und wurde von mehreren Faktoren beeinflusst“, berichten die Forschenden.
„Die Studie ergab, dass Menschen mit einer positiven Einstellung zu Träumen und einer ausgeprägten Neigung zum Mind-Wandering deutlich häufiger ihre Träume erinnerten. Auch Schlafmuster spielten eine entscheidende Rolle: Personen mit längeren Phasen leichten Schlafs hatten eine größere Wahrscheinlichkeit, mit einer Traumerinnerung aufzuwachen.
Jüngere Teilnehmer erinnerten sich häufiger an ihre Träume, während ältere Personen oft sogenannte ‚weiße Träume‘ erlebten – das Gefühl, geträumt zu haben, ohne sich an Details zu erinnern. Dies deutet auf altersbedingte Veränderungen der Gedächtnisprozesse während des Schlafs hin. Darüber hinaus zeigte sich eine jahreszeitliche Variation: Die Probanden berichteten in den Wintermonaten von einer geringeren Traumerinnerung als im Frühling, was auf mögliche Umwelt- oder zirkadiane Einflüsse hindeutet.“
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Laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler legen die Ergebnisse nahe, dass die Traumerinnerung nicht dem Zufall überlassen ist, sondern ein Zusammenspiel aus persönlichen Einstellungen, kognitiven Eigenschaften und Schlafdynamiken widerspiegelt. „Diese Erkenntnisse vertiefen nicht nur unser Verständnis der Mechanismen des Träumens, sondern haben auch Implikationen für die Erforschung der Rolle von Träumen in der psychischen Gesundheit und im Studium des menschlichen Bewusstseins“, so Bernardi.
„Die im Rahmen dieses Projekts gesammelten Daten dienen als Referenz für zukünftige Vergleiche mit klinischen Populationen“, fügt Valentina Elce, Forscherin an der IMT School und Erstautorin der Studie, abschließend hinzu. „Dies ermöglicht es uns, die Forschung zu pathologischen Veränderungen des Träumens und deren potenzieller prognostischer und diagnostischer Bedeutung weiter voranzutreiben.“
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Recherchequelle: IMT School for Advanced Studies
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