Washington (USA) – Entgegen der allgemeinen Vorstellung, dass der Glaube an Hexen, Zauberer und echte Magie mit dem Mittelalter und der Aufklärung der Vergangenheit angehört, kommt eine aktuelle Studie zu der Schätzung, dass noch mehr als 40 Prozent der Menschheit an Hexerei glaubt.
Wie Boris Gershman von der American University aktuell im Fachjournal „PLoS One“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0276872) berichtet, gebe es allerdings große Unterschiede zwischen unterschiedlichen Ländern und Weltregionen. Zudem lassen sich zahlreiche kulturelle, politische und ökonomische Faktoren ausmachen, die den Glauben an echte Magier und Hexenkunst befördern.
Grundlage der Studie sind Umfrageergebnisse an insgesamt 140.000 Menschen aus 95 Ländern rund um den Globus. Aus diesen heraus ergibt sich eine Gruppe von rund 43 Prozent, die etwa der Aussage, dass „bestimmte Menschen in der Lage sind, Flüche und Zaubersprüche auszusprechen, die anderen Menschen schaden können“, zustimmten.
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Basierend auf diesen Zahlen dürfte es weltweit mindestens eine Milliarde Menschen geben, die auch heute noch an die Macht von Hexerei glauben. Je nachdem, welche Region man betrachte, dürften diese Werte allerdings entweder konservative Schätzungen darstellen oder stark unterschritten werden. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler etwa Schweden mit lediglich 9 Prozent der Einwohner, während der Anteil der Hexereigläubigen in Tunesien vermutlich bei über 90 Prozent liegen dürfte.
Statt selbst aber Hexerei und den Glauben an Magie lediglich als Aberglauben abzutun, stellt der Autor der Studie zugleich aber auch die hier und da wirkenden sozialen Funktionen dieser Glaubenswelten heraus: “Durch die Jahrhunderte hinweg erfüllte dieser Glaube die Funktion der Erklärung für alle möglichen, – meist unglücklichen und tragischen – Ereignisse im Leben der Menschen und trug so teilweise auch dazu bei, diese Schicksalsschläge erträglich zu machen.“
Demnach könne das Konzept der Hexenkunst den Menschen auch dabei helfen, im Angesicht unkontrollierbarer Mechanismen der Unordnung, etwa angesichts von Naturkatastrophen oder Hungersnöten, eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sei es wenig erstaunlich, dass der Glaube an Hexerei auch in jenen Ländern besonders stark sei, in denen staatliche und sonstige gesellschaftliche Strukturen und Einrichtungen schwach sind.
Zugleich weist Gershman aber auch darauf hin, dass diese vermeintlich nützlichen Funktionen des Glaubens an Hexerei und Zauberkunst auf Kosten des sozialen Zusammenhalts und des Vertrauens gehen und stattdessen oft Ängste und ökonomischen stillstand fördern.
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Deshalb sei der Ansatz auch falsch, derart gläubige Menschen schlichtweg zu missachten oder mit Aufklärung über ihren eigenen Irrtum im Glauben an Hexerei zu begegnen. So könne es beispielsweise durchaus sein, dass eine hexereigläubige Person sehr gut verstehe, dass eine Krankheit durch einen Insektenstich übertragen wurde, dass dieselbe Person aber zugleich davon überzeugt sei, dass ihr der Insektenstich aufgrund eines Fluches widerfahren sei. Auch das Verbot entsprechender Praktiken fördere die Ängste vor unkontrollierter Hexerei vermutlich mehr, als es Nutzen bringe.
Laut Gershman sei die Stärkung sozialer Institutionen und Sicherheit, der Schutz vor körperlichen und ökonomischen Schäden das stärkste Mittel gegen den Glauben an Hexerei, weil dadurch der vermeintliche Bedarf an entsprechenden Praktiken und damit auch der Glaube daran schwinde.
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Recherchequellen: PLoS One
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