Studie: Jeder Zehnte macht Nahtoderfahrung

Detail aus „Der Flug zum Himmel“ (Hieronymus Bosch, etwa 1500). Copyright: gemeinfrei
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Detail aus „Der Flug zum Himmel“ (Hieronymus Bosch, etwa 1500). Copyright: gemeinfrei

Detail aus „Der Flug zum Himmel“ (Hieronymus Bosch, etwa 1500).
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Kopenhagen (Dänemark) – Eine aktuelle Studie internationaler Neurologen und Mediziner zeigt, dass ganze 10 Prozent von Patienten in potentiell lebensbedrohlichen Situationen während dieser eine sogenannte Nahtoderfahrung machen. Der Wert liegt höher als bei früheren Studien.

Wie das Team aus Medizinern und Neurologen des Rigshospitalet in Kopenhagen, der Universität Kopenhagen, dem Center for Stroke Research (CRS) in Berlin und der Norwegischen Technische Hochschule (NTNU) aktuell auf dem 5. Kongress der European Academy of Neurology (EAN) berichteten, basiert ihre Studie auf der Auswertung der Daten von insgesamt 1.034 Patienten aus 35 Ländern. Insgesamt berichteten 289 der Befragten davon, schon einmal eine oder mehrere der für eine Nahtoderfahrung charakteristischen Symptome erlebt zu haben. Anhand der Beschreibungen ermittelten die Autoren der Studie  106 Fälle, in denen die Betroffenen einen Wert von 7 auf der sogenannten Greyson-Skala fzur Einstufung vom Nahtoderfahrungen erreicht hatten, ab dem Forsche von einer gesicherten Nahtoderfahrung sprechen.

Hintergrund
Als Nahtoderfahrung (Near Death Experiences, NDEs) werden in der Regel Erlebnisse im Angesicht lebensbedrohlicher Situationen (etwa bei Herzstillstand, Schlaganfällen, nach Unfällen, beim Ertrinken oder während riskanter Operationen) bezeichnet, während derer die Betroffenen von einer ganzen Bandbreite an religiösen, spirituellen Erlebnissen, psychisch-physischen Symptomen wie außerkörperlichen Wahrnehmungen, bis hin zum Hören und Sehen von (meist spirituellen) Wesenheiten, berichten.

Wie die Autoren der aktuellen Studie berichten, seien lebensbedrohliche Situationen aber nicht zwangsläufig eine Voraussetzung für das Erleben einer Nahtoderfahrung. Tatsächlich bewerteten die Wissenschaftler nur 45 Prozent der berichteten Nahtoderfahrungen als im Rahmen einer wirklich lebensbedrohlichen Situation erfahren.

Zu den von den meisten Betroffenen gemachten Erfahrungen gehören (in 87 Prozent der Fälle) eine abnorme Zeitwahrnehmung, ungewöhnlich schnelle Gedankenabläufe (65 %) und intensive Sinneswahrnehmungen (63 %) sowie außerkörperliche Wahrnehmungen (dem Verlassen des eigenen Körpers) in 53 Prozent der Erfahrungen.

Zudem beschrieben die meisten Zeugen das Empfinden absoluten Friedens, Gefühle “als würde die eigene Seele herausgesogen”, das Hören engelsgleicher Stimmen, das Vorbeiziehen des eigenen “Lebensfilmes“ oder das Durchfliegen eines dunklen Tunnels und das Erreichen eines hellen Lichts am Ende dieses Tunnels. Hinzu berichten Zeugen von der Wahrnehmung von Anwesenheiten vor dem Einschlafen oder aufsitzenden “Dämonen”, die die Betroffenen – einer Paralyse ähnlich – die Fähigkeit von Bewegungen berauben.

Zum Thema

Im Gegensatz zu früheren Studien beschrieben aktuell mit 73 Prozent deutlich mehr Betroffene ihre Erfahrung als eher unangenehm. Angesichts der eindeutigen Nahtoderfahrungen (ab einem Greyson-Wert von mehr als 7), lag dieser Anteil allerding nur noch bei 14 Prozent, während 53 Prozent dieser Erlebenden ihre Erfahrung als angenehm mit bereichernd beschrieben.

Auch anhand der Beobachtungen früherer NDE-Studien bestätigen die Autoren eine Verbindung zwischen NDEs und der sogenannten REM Intrusion, also dem REM-Schlaf-artigen Zustand außerhalb der eigentlich typischen REM-Phase.

Hintergrund
Bei der REM-Phase (Rapid Eye Movement = schnelle Augenbewegung) handelt es sich um jene Schlaf­phase, die unter anderem durch schnelle Augenbewegungen (Rapid Eye Movement, REM) bei geschlossenen Augenlidern gekennzeichnet ist. Weitere Merkmale sind ein bestimmtes Aktivationsmuster im EEG – Thetawellen mit einer Frequenz von 4 bis 8 Hz und langsame Alphawellen, sowie eine rege Beta-Aktivität, die sonst eigentlich nur im Wachzustand zu finden ist. Während des REM-Schlafes steigen Blutdruck und Puls an, wie sie in vorherigen Schlafphasen abgesenkt sind. Einige Menschen berichten gerade während des Eisnetzens der REM-Phase von visuellen wie auditiven Halluzinationen und Schlafparalyse, während derer sie zwar bewusst wach sind, sich aber nicht bewegen können.

Tatsächlich fanden die Autoren die Verbindung zwischen NDEs und der „REM Intrusion“ mit 47 Prozent gehäuft bei jenen Menschen mit einem Wert von über 7 auf der Greyson-Skala. Im Vergleich dazu zeigte sich die Verbindung bei Personen mit einer NDE mit einem Wert von unter 6 in lediglich 26 Prozent der Fälle, während nur 14 Prozent der Menschen derartiges aufzeigten, ohne je eine Nahtoderfahrung gemacht zu haben.

„Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist, dass wir eine Verbindung zwischen Nahtoderfahrungen und der Schlafunterbrechung durch REM bestätigen konnten“, berichtet der Studienleiter Dr. Daniel Kondziella Neurologe an der Universität Kopenhagen und erläutert dazu weiter: „Auch wenn diese Verbindung noch keine Kausalität bedeutet, so könnte diese Erkenntnis dennoch unser Verständnis von Nahtoderfahrungen voranbringen.“

Der aktuelle Wert von 10 Prozent liegt deutlich höher als in früheren ähnlichen Studien, wie sie in Australien und Deutschland durchgeführt worden waren und die Werte von 8 und 4 Prozent aufzeigten. Einen möglichen Grund hierfür sehen die Autoren in dem Umstand, dass diese früheren Studien gezielt nur unter Herzstillstandpatienten durchgeführt worden waren. Stattdessen habe die aktuelle Studie die Ergebnisse einer Studie von 2006 (Nelson et al.) reproduziert, der damals von Kritikern methodische Fehler und Voreingenommenheiten vorgeworfen worden waren.

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