Studie modelliert potenziellen Erdzwilling um Alpha Centauri
Zürich (Schweiz) – Obwohl bislang noch nicht bekannt ist, ob die beiden unserer Sonne am nächsten gelegenne Doppelsterne Alpha Centauri A und B von einem (oder mehreren) erdähnlichen Planeten umkreist werden, haben nun Schweizer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun anhand von Modellen eine Idee davon entwickelt, wie ein solcher Planet aussehen würde und wie er sich entwickelt haben könnte.
Wie das internationale Team unter der Leitung des Astrophysikers Haiyang Wang der ETH Zürich vorab via ArXiv.org und aktuell im „The Astrophysical Journal“ (DOI: 10.3847/1538-4357/ac4e8c) berichten, war das Ziel ihrer Modellierungen und Simulationen die Vorhersage der elementaren Zusammensetzung eines hypothetischen Gesteinsplaneten in der lebensfreundlichen Zone des Aslpha-Centauri-A/B-Systems.
Diese Modellierung stützt sich auf die spektroskopisch gemessenen chemischen Zusammensetzungen der beiden Sterne Alpha Centauri A und B, für die eine Vielzahl von Informationen sowohl für gesteinsbildende Elemente wie Eisen, Magnesium und Silizium als auch für flüchtige Elemente, darunter Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff, verfügbar ist.
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Anhand dieser Daten konnten die Forschenden nun auf mögliche Zusammensetzungen eines hypothetischen planetarischen Körpers rückschließen, der einen der beiden Sterne umkreist und gelangten so zu detaillierten Vorhersagen über die Eigenschaften ihres Modellplaneten, dem sie den Namen „α-Cen-Erde“ gaben. Diese Vorhersagen beziehen nun Aussagen über die innere Struktur, die Mineralogie und atmosphärischen Zusammensetzung des Modellplaneten mit ein. Diese Eigenschaften seien wiederum von zentraler Bedeutung für das Verständnis seiner langfristigen Entwicklung und seiner potenziellen Lebensfreundlichkeit, so die Autoren und Autorinnen der Studie.
Das Ergebnis ist das faszinierende Abbild eines möglichen erdähnlichen Exoplaneten im Alpha-Centauri-System Centauri A/B umkreist: „Falls dieser Planet existiert, dann ist die α-Cen-Erde geochemisch wahrscheinlich ähnlich wie unsere Erde, sagen sie voraus, mit einem Mantel, der von Silikaten dominiert wird, aber reich an kohlenstoffhaltigen Spezies wie Graphit und Diamant ist. Die Kapazität zur Speicherung von Wasser in seinem felsigen Inneren dürfte der unseres Heimatplaneten entsprechen.“ Der Studie zufolge würde sich die α-Cen-Erde auch in interessanter Weise von der Erde unterscheiden, mit einem etwas größeren Eisenkern, einer geringeren geologischen Aktivität und einem möglichen Fehlen von Plattentektonik. „Die größte Überraschung war jedoch, dass die frühe Atmosphäre des hypothetischen Planeten von Kohlendioxid, Methan und Wasser dominiert gewesen sein könnte – ähnlich wie die der Erde im Archaischen Äon, vor 4 bis 2,5 Milliarden Jahren, als das erste Leben auf unserem Planeten entstand.“
Hintergrund
Es sind aufregende Zeiten für die Exoplanetenforschung, die von der Demografie zur detaillierten Charakterisierung übergeht. Das James Webb Space Telescope (JWST), das im Dezember 2021 erfolgreich von der Erde abhob, soll die Atmosphären von felsigen Exoplaneten aufspüren, die M-Zwerge – Sterne, die schwächer als die Sonne scheinen – in deren «bewohnbaren Zone» umrunden. Das Extremely Large Telescope (ELT), das derzeit in Chile gebaut wird, soll bis zum Ende des Jahrzehnts felsige Exoplaneten in der Nähe sonnenähnlicher Sterne direkt abbilden. Noch weiter in die Zukunft blickend werden derzeit ehrgeizige Konzepte für künftige Weltraummissionen erforscht, darunter das Large Interferometer for Exoplanets (LIFE), das auf felsige Exoplaneten in der bewohnbaren Zone und deren Atmosphären abzielt. Die ETH Zürich ist federführend oder maßgeblich an diesen und anderen Beobachtungsinfrastrukturen beteiligt. Ergänzende Forschungsarbeiten am Institut für Teilchenphysik und Astrophysik befassen sich mit numerischen Modellen, die für das Verständnis von Exoplaneten in der bewohnbaren Zone und für die Entwicklung zukünftiger Missionen und Instrumente unerlässlich sind. (Quelle: ETH Zürich)
Wie die ETH-Pressemitteilung zur Studie erläutert, zeichnet sich diese dadurch aus, dass sie Vorhersagen über flüchtige Elemente auf einem felsigen Exoplaneten macht. Es ist zwar bekannt, dass die chemische Zusammensetzung von „terrestrischen“ (also erdartigen bis hin zu erdähnlichen) Planeten, wie sie überwiegend aus Gestein und Metall bestehen, im Allgemeinen die ihrer Wirtssterne widerspiegelt, doch gelte dies nur für die so genannten refraktären Elemente, d. h. die Hauptbestandteile von Gestein und Metall. „Bei den flüchtigen Elementen – den Elementen, die leicht verdampfen – ist diese Übereinstimmung nicht mehr gegeben. Zu letzterer Klasse gehören Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff, die der Schlüssel zu der Frage sind, ob ein Planet möglicherweise bewohnbar ist.“
Auch wenn bislang noch keine α-Cen-Erde entdeckt wurde, bewerten die Forschenden die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich ein älteres Geschwisterchen unserer Erde zu finden – das System α Centauri A/B ist 1,5-2 Milliarden Jahre älter als die Sonne – kaum günstiger als derzeit und in näherer Zukunft: „Von 2022 bis 2035 werden α Centauri A und α Centauri B so weit voneinander entfernt sein, dass die Suche nach Planeten um jeden der beiden Sterne dank der geringeren Lichtverschmutzung durch den anderen Stern möglich ist. Zusammen mit den neuen Beobachtungsmöglichkeiten, die in den kommenden Jahren zu erwarten sind, besteht die berechtigte Hoffnung, dass sich ein oder mehrere Exoplaneten, die α Centauri A/B umkreisen.“
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Recherchequelle: ETH Zürich
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