Studie: NASA-Planetensucher TESS könnte “Planet Nine” bereits entdeckt haben

Künstlerische Darstellung der Suche nach „Planet Nine“ in den Daten des TESS-Satelliten (Illu.). Copyright: NASA (TESS), nagualdesign/Tom Ruen/Eso (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0 (P9), (Komb. grewi.de)
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Künstlerische Darstellung der Suche nach „Planet Nine“ in den Daten des TESS-Satelliten (Illu.). Copyright: NASA (TESS), nagualdesign/Tom Ruen/Eso (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0 (P9), (Komb. grewi.de)

Künstlerische Darstellung der Suche nach „Planet Nine“ in den Daten des TESS-Satelliten (Illu.).
Copyright: NASA (TESS), nagualdesign/Tom Ruen/Eso (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0 (P9), (Komb. grewi.de)

Cambridge (USA) – Das NASA-Weltraumteleskop TESS gilt als derzeit hoffnungsvollstes Instrument für die Suche nach Exoplaneten und insbesondere für die Suche nach erdartigen und potentiell lebensfreundlichen Welten. Doch könnte der „Transiting Exoplanet Survey Satellite“ auch den hitzig gesuchten „Planet Nine“ finden, den einige Astronomen am Rand unseres eigenen Sonnensystems vermuten? Eine aktuelle Studie beantwortet die Frage mit ja.

Wie Matthew J. Holman und Matthew J. Payne vom Harvard Smithonian Center for Astrophysics gemeinsam mit András Pál vom ungarischen Konkoly Observatory und der Loránd Eötvös University aktuell im Fachjournal „Research Notes of the American Astronomical Society“ (RNAAS; DOI: 10.3847/2515-5172/ab4ea6) berichten, haben sie in ihrer Studie untersucht, ob TESS – obwohl es für die Suche nach Planetenpassagen vor den „Sonnenscheiben“ ferner Sterne (sog. Transits) konzipiert ist – auch den am Rande des Sonnensystem verorteten, vorhergesagten neunten Planeten entdecken oder vielleicht sogar schon entdeckt haben könnte.

Hintergrund: Planet Nine
Jenseits der Umlaufbahn des Neptun liegt der Kuiper-Gürtel, der aus kleinen Körpern aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems besteht. Neptun und die Riesenplaneten beeinflussen gravitativ die Objekte im Kuiper-Gürtel und darüber hinaus, die gemeinsam als Trans-Neptunian Objects, also als transneptunische Objekte (TNOs) bekannt sind, und die die Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen umkreisen.

Bahndiagramme von 9 transneptunischen Objekten, deren Bahn von Planet Nine beeinflusst sein könnte.
Copyright: Tomruen (via WikimediaCommons) CC BY-SA 4.0

Allerdings haben Astronomen einige mysteriöse Ausreißer entdeckt. Seit 2003 wurden rund 30 TNOs auf stark elliptischen Umlaufbahnen entdeckt: Sie heben sich von den anderen TNOs dadurch ab, dass sie im Durchschnitt die gleiche räumliche Orientierung haben. Diese Art von Clustering lässt sich nicht durch die bislang bekannte Architektur des Sonnensystems mit den acht bekannten Planeten erklären und führte zu verschiedenen Hypothesen, laut derer die ungewöhnlichen Bahnen durch die Existenz eines noch unbekannten neunten Planeten beeinflusst werden könnten.

Obwohl erstmals der Astronom Scott C. Sheppard die Idee von einem weiteren großen Planeten im Sonnensystem beschrieb, wurde die Theorie erst durch die Ausführungen dazu von Mike Brown und Konstantin Batygin bekannt. Auf der Grundlage neuster Berechnungen gehen Brown und Batygin davon aus, dass Planet Nine eine Masse von rund fünf Erdenmassen und eine Umlaufbahhalbachse nur von 400 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) besitzt. (Zuvor waren  davon ausgegangen, dass P9 etwa 10 Erdenmassen auf die Wage bringen könnte und die Sonne 20 mal weiter als Neptun umkreise, was eine Halbachse von etwa 700 AE entsprechen würde. Damit wäre der Planet nicht nur kleiner und der Sonne deutlich näher, sondern auch gleichzeitig heller als lange Zeit gedacht (…GreWi berichtete).

Tatsächlich, so zeigt die Auswertung der drei Autoren, könnte das TESS einen derart schwachen Himmelskörper in den äußeren Regionen des Sonnensystems bereits aufgezeichnet haben. Man müsse nur wissen, wonach und wie genau man danach suchen muss.

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Statt nach einem (wie obig beschriebenen) Transitereignis, müsse man – zusammengefasst – in den TESS-Daten auf mehreren Aufnahmen nach einem sich hin und her bewegenden lichtschwachen Objekt suchen. Allerdings sei hierzu eine computergestützte Analyse der Daten notwendig, da bislang die Umlaufbahn von „P9“ noch unbekannt ist. Statt also gezielt einen bestimmten und bereits bekannten Orbit abzusuchen, müsse man alle in Frage kommenden Orbits überprüfen.

Um ihre Theorie selbst zu testen, haben die Astronomen eine eigene Software auf die TESS-Daten angewandt, um auf diese Weise nach drei bereits bekannten transneptunischen Objekten (TNOs), zu denen „Planet Nine“ gehören würde (so er tatsächlich existiert), zu suchen: Sedna, ein Zwergplanet mit einem Durchmesser von rund 1.000 Kilometern, der die Sonne mit einer Entfernung von 10. Milliarden Kilometern umkreist; das Objekt „2015 BP519“, mit einem Durchmesser von rund 500 Kilometern und einer Umlaufbahn von 7,5 Milliarden Kilometern Distanz zu Sonne; und das Objekt „2015 BM518“, das die Sonne in rund 5,4 Milliarden Kilometern umkreist und einen Durchmesser von rund 230 Kilometern hat. Das Ergebnis: Alle drei Objekte waren in den TESS-Daten relativ einfach zu finden.

Aus den Werten schlussfolgern die Forscher, dass sämtliche Objekte im nahen Infrarotbereich noch bis zu einer Helligkeitsmagnitude von rund 21 entdeckt werden könnten. Zum Vergleich: Das lichtschwächste Objekt, das am Nachthimmel noch mit bloßem Auge erkennbar ist, hat eine Magnitude von knapp 6. Jeder weitere Schritt entspricht dabei einem Helligkeitsabfall um einen Faktor von 2,512. Ein Objekt mit einer Magnitude von 21 ist damit etwa eine Million Mal lichtschwächer als dieses gerade so noch von Aug aus sichtbare Objekt.

Laut den Autoren sollten also alle Objekte, die größer sind als Sedna selbst dann noch anhand der TESS-Beobachtungen zu finden sein, wenn sie weiter entfernt sind als der Zwergplanet. Da bislang nur Schätzungen zur Größe von “P9“ vorliegen ist es schwer, seine vermutliche Magnitude genau zu bestimmen. Anhand bisheriger Schätzungen und unterschiedlicher Ansätze gehen Astronomen aber von einer Magnitude von 19 bis 24 aus.

Vom Umstand, dass “Planet Neun” also bereits in den TESS-Daten gefunden werden könnte, zeigt sich auch Professor Mike Brown fasziniert, der selbst bislang „nur“ mit erdgestützten Teleskopen nach „seinem“ Planeten gesucht hat. Gegenüber dem Astronomie-Blogger Phil Plait von “Bad Astronomy” erklärte Brown, es könne durchaus sein, dass P9 in den TESS-Daten zu finden ist. Zudem wäre es sogar möglich, dass “Planet Nine” größer und sonnennäher ist als bislang vermutet, wodurch er dann noch einfacher mit TESS zu finden wäre.

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Quelle: Research Notes of the American Astronomical Society, Bad Astronomy

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