Studie zeigt: Aktueller Klimawandel ist kein natürlicher Vorgang mehr
Bern (Schweiz) – Während die jüngsten Hitzerekorde für jedermann spürbar sind, stellen Kritiker der Feststellung eines vom Menschen verursachten Klimawandels den Menschen und seine auf fossilen Brennstoffen basierende Wirtschaft und Technologie weiterhin in Frage und verweisen darauf, dass es im Laufe der Klimageschichte unseres Planeten immer schon auch mehr oder weniger spontane Klimawandel gab. Jetzt haben Klimaforscher dieses Argument eines „natürlichen Klimawandels“ jedoch wiederlegt und zeigen, dass sich unser Klima aktuell so schnell wie nie zuvor in den letzten 2000 Jahren verändert und das hinzu auch global.
„Im Unterschied zu vorindustriellen Klimaschwankungen erfolgt die gegenwärtige, vom Menschen verursachte Klimaerwärmung auf der ganzen Welt gleichzeitig“, stellt das internationale Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen um Raphael Neukom vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung an der Universität Bern aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-019-1401-2) und in einer ergänzenden Publikation in „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-019-0400-0) fest. Zudem sei die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung so groß wie nie seit mindestens 2000 Jahren.
Hintergrund
Viele Menschen machen sich von der „Kleinen Eiszeit“ (ca. 1300 – 1850) ein klares Bild. Bekannt sind Gemälde, die Schlittschuh laufende Menschen auf holländischen Grachten zeigen oder Gletscher, die weit in die Alpentäler vorstoßen. Dass es in Europa mehrere Jahrhunderte lang außergewöhnlich kühl war, ist aber nicht nur durch historische Gemälde belegt, sondern auch durch eine Vielzahl von Temperaturrekonstruktionen etwa anhand von Baumringen. Weil es auch für Nordamerika solche Rekonstruktionen gibt, ging man bisher davon aus, dass es sich bei der „Kleinen Eiszeit“ oder der ebenso bekannten „Mittelalterlichen Warmzeit“ (ca. 700 – 1400) um weltweite Phänomene handelte.
In ihrer Studie zeigen die Autoren, dass sich für die vergangen 2000 Jahre global einheitliche Warm- und Kaltphasen nicht nachweisen lassen und vergangene Klimaschwankungen stattdessen regional unterschiedlich verliefen.
„Zwar war es während der Kleinen Eiszeit auf der ganzen Welt generell kälter“, erklärt Neukom, „aber nicht überall gleichzeitig. Die Spitzenzeiten der vorindustriellen Warm- und Kaltzeiten traten zu verschiedenen Zeiten an unterschiedlichen Orten auf. Die nun wiederlegte Hypothese von global gleichzeitigen Klimaphasen, ist durch ein Bild entstanden, das durch die Klimavergangenheit in Europa und Nordamerika geprägt war. (…) Mangels Daten aus anderen Erdteilen wurde diese Vorstellung auf die ganze Welt übertragen, was die Erwartung geweckt hatte, es handle sich bei relativen Warm- oder Kaltphasen in den letzten 2000 Jahren um weltweit synchrone Phänomene. Doch wie sich jetzt gezeigt hat, ist dem nicht so.“
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Als Erklärung benennen die Forscher den Umstand, dass das regionale Klima in vorindustrieller Zeit vor allem von zufälligen Schwankungen innerhalb des Klimasystems beeinflusst war: „Externe Faktoren wie beispielswiese Vulkanausbrüche oder Sonnenaktivität waren nicht stark genug, um über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zeitgleich auf der ganzen Welt für ausgesprochen warme oder kalte Temperaturen zu sorgen.“
Für ihre Untersuchung von fünf vorindustriellen Klimaepochen nutzen die Wissenschaftler um Neukom eine Datenbank des internationalen Forschungskonsortiums PAGES (Past Global Changes, www.pastglobalchanges.org), die einen umfassenden Überblick von Klimadaten der vergangen 2000 Jahre bietet und neben Baumringen auch Eisbohrkerne, Seesedimente und Korallen als Quellen nutzt. Um die Resultate auf Herz und Nieren zu prüfen, hat das Team um Raphael Neukom diese Datensätze zudem mit sechs unterschiedlichen statistischen Methoden ausgewertet – so viele wie noch nie.
Berechnet wurden auf diese Weise nicht nur absolute Temperaturwerte, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von extrem warmen oder kalten Jahrzehnten und Jahrhunderten. Das Resultat: Während keiner der untersuchten Phasen ergab sich global ein kohärentes Bild: „Die Minimal- und Maximaltemperaturen waren räumlich sehr unterschiedlich verteilt. Aus regionalen Temperaturphänomenen wie der oft erwähnten ‚Mittelalterlichen Warmzeit‘ in Europa und Nordamerika kann also nicht auf globale Wärmeextreme geschlossen werden.
Hingegen verlaufe die gegenwärtige Warmphase erstmals weltweit gleichzeitig. Die beiden Studien zeigen, dass die mit großer Wahrscheinlichkeit wärmste Phase der vergangenen 2000 Jahre im 20. Jahrhundert liegt. Und zwar auf über 98 Prozent der Erdoberfläche.
„Das zeigt – einmal mehr –, dass der aktuelle Klimawandel nicht mit zufälligen Schwankungen zu erklären ist, sondern durch vom Menschen verursachte Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen. Was man bis heute nicht wusste: Nicht nur die globalen Durchschnittstemperaturen waren im 20. Jahrhundert so hoch wie nie zuvor in den letzten mindestens 2000 Jahren, erstmals geschah die Erwärmung auch auf der ganzen Welt gleichzeitig. Und die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung war nie so hoch wie heute.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Studie: Können (außerirdische) Zivilisationen einen selbst herbeigeführten Klimawandel überstehen? 8. Juni 2018
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