Studie zeigt: Gotteserfahrungen fördern mentale Gesundheit dauerhaft
Baltimore (USA) – Gotteserfahrungen – sei es nun spontan oder ausgelöst durch Psychedelika wie LSD oder Ayahuasca – haben positive und langanhaltende Auswirkungen auf die mentale Gesundheit. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Religionspsychologen des angesehenen John Hopkins Hospitals in Baltimore. Sogar eine „heilende Wirkung“ entsprechender Erfahrungen lege der aktuelle Forschungsstand nahe.
Wie das Team um Prof. Roland Griffiths von der Johns Hopkins University School of Medicine aktuell im Fachjournal „PLoS ONE“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0214377) berichtet, werden religiöse Erfahrungen, besonders die Begegnung mit Gott bzw. göttlichen Wesen, von jeher eine tiefgreifende Wirkung – ganz gleich, ob diese Erfahrungen spontan oder durch die gezielte Einnahme von Psychedelika wie halluzinogener Pilze, dem Sud aus den Blättern des Kaffeestrauchgewächses Psychotria viridis Ayahuasca oder LSD herbeigeführt wurden. Die Erlebenden berichten oftmals von Erfahrungen mit Gott, göttlichen Wesen oder einer „ultimativen Realität“.
Anhand einer Umfrage unter Tausenden derartiger Zeugen, haben die Forscher um Griffith nun festgestellt, dass mehr als Zweidrittel von zuvor selbsterklärten Atheisten, diese Bezeichnung in der Folge ihrer wie auch immer sich zugetragenen Erlebnisse ablehnten.
Darüber hinaus führten eine Mehrheit der Befragten langanhaltende und positive Veränderungen in ihrer psychologischen Gesundheit (beispielsweise Lebenszufriedenheit, -zweck und -sinn) auf die entsprechenden Gotteserfahrungen zurück und das auch noch Jahrzehnte nach den Erlebnissen.
Laut den Medizinern und Psychologen, steht das Umfrageergebnis damit in einer wachsenden Reihe von Belegen dafür, dass tiefe und bedeutungsvolle Erfahrungen sogar heilende Wirkung haben können.
Die Studie stellt zudem die erste Untersuchung dieser Art dar, mit der spontane Erfahrungen mit jenen direkt verglichen werden kann, die durch die Einnahme von natürlichen und chemischen Psychedelika miteinander verglichen werden kann.
„Gotteserfahrungen werden bereits seit Jahrtausenden geschildert und sind wahrscheinlich die Grundlage unserer Religionen“, so Griffiths und führt weiter aus: Obwohl die modernen westliche Medizin spirituelle oder religiöse Erfahrungen als Werkzeug im Kampf gegen Krankheiten anerkennt, legen unsere Ergebnisse doch nahe, dass solche Erlebnisse die mentale Gesundheit verbessern können.“
Insgesamt wurden weltweit 4.285 Personen mittels eines Online-Fragebogens zu ihrer tiefgreifendsten Erfahrung mit dem, was sie als „Gott“, „höchste Macht“, „ultimative Realität“ oder „Stellvertreter Gottes“ (bspw. Engel) bezeichnen würden, und dazu befragt, wie diese Erfahrung ihr Leben verändert hat.
69 Prozent der Teilnehmer waren Männer und 88 Prozent weiß. Von jenen 3.476, die ihre Erfahrung in Folge von Psychedelika hatten, waren es 1.184 Teilnehmer, die Psyilocybin in Form sog. Magic Mushroom (psychedelische Pilze) zu sich genommen hatten. In 1.251 Fällen war es LSD, in 606 Fällen DMT und 435 gaben an, Ayahuasca zu sich genommen zu haben. Das Durchschnittsalter lag bei 25. Von allen Teilnehmern, gaben 809 an, ihre Erfahrungen spontan – also ohne den Konsum psychotroper Präparate – gemacht zu haben. Das Durchschnittsalter dieser Personengruppe lag bei 35 Jahren.
Zusammenfassung der Schlüsselergebnisse:
– Rund 75 Prozent der Teilnehmer beider Gruppen bezeichnen ihre „Gotteserfahrung“ als einer der bedeutungsvollsten und spirituell wichtigsten Erfahrungen in ihrem Leben und beide Gruppen verbanden damit positive Veränderungen bezüglich ihrer Lebenszufriedenheit, -zweck und -sinn.
– Unabhängig vom Gebrauch von Psychedelika, berichteten Zweidrittel jener Teilnehmer, die sich vor ihrer Erfahrung selbst als Atheisten (also Nicht-Gottgläubig) bezeichneten, davon, dies nach der Erfahrung nicht mehr praktiziert zu haben.
– Die meisten Teilnehmer beider Gruppen berichteten von sehr lebhaften Erinnerungen an das Erlebte, mit teilweise Kommunikation mit dem göttlichen Wesen, dem die Zeugen in etwa 70 Prozent der Fälle Merkmale von Bewusstsein, in 75 Prozent Wohlwollen, in 80 Prozent Intelligenz, in 75 Heiligkeit und in 70 Prozent unendliche Existenz zusprachen.
– Auch wenn beide Gruppen von einer reduzierten Angst vor dem Sterben als Folge ihrer Erfahrung berichten, so liegt diese in der Psychedelika-Gruppe mit rund 70 Prozent deutlich höher als bei der Gruppe der Spontanerfahrer, wo dieser Umstand von nur 57 Prozent berichtet wurde.
– In beiden Gruppen beschreiben rund 15 Prozent die gemachte Erfahrung als die größte psychologische Herausforderung ihres Lebens.
– In der nicht-psychegenen Gruppe bezeichnete die Mehrheit (59 Prozent) „Gott“ oder „ein Gesandter Gottes“ als die beste Beschreibung für ihre Begegnung, während in der psychegenen Gruppe 55 Prozent die Beschreibung „ultimative Wirklichkeit/Realität“ wählte.
In zukünftigen Studien wollen Griffiths und sein Team ergründen, welche Faktoren es sind, die Personen für derartig lebensverändernde Erfahrungen „anfällig“ machen und hoffen auch untersuchen zu können, zu welchen Hirnaktivitäten es während dieser Erlebnisse kommt.
„Die weitere Erforschung dieser Erfahrungen könnte weitere Erkenntnisse über religiöse und spirituelle Glaubensansätze liefern, wie sie seit Menschengedenken zu den Grundlagen unserer Kulturen zählen“, so Griffiths.
Zugleich geben die Wissenschaftler aber auch zu bedenken, dass die Studie selbst alleine auf den Aussagen der Teilnehmer selbst basiert und diese Methode natürlich auch die Möglichkeit von voreingenommen, tendenziösen und falschen Aussagen nicht ausschließen kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund sei die Studie auch nicht als Argument für den naiven Umgang und Nutzen halluzinogener Substanzen geeignet von denen – bei unsachgemäßer Anwendung – sowohl psychologische wie medizinischer Schäden ausgehen können. Zudem unterstreichen die Autoren, dass man nach den „persönlichen Erfahungen der Teilnehmer gefragt habe“ die selbst noch nichts über die tatsächliche Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes bzw. göttlicher Wesenheiten aussagen. „Wir bezweifeln sogar, dass irgendeine Form der Wissenschaft diese Frage definitiv lösen kann.“
Griffiths selbst erforscht die Wirkung psychedelischer Substanzen schon seit zwei Jahrzehnten. Einige seiner früheren Studien haben Psilobycin genutzt, um mystische Erfahrungen und deren Auswirkungen auf gesunde freiwillige Teilnehmer und deren therapeutisches Potential bei der Rauchentwöhnung oder Stresslinderung zu ergründen. Sein Team ist zuversichtlich, dass eines Tages Psilocybin als Medikament unter therapeutischer Aufsicht und Anleitung nutzen zu können.
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