Studie zeigt: Saturnmond Titan könnte nur sehr wenig Leben beherbergen
Tucscon (USA) – Titan, der größte Saturnmond, gilt als einer der hoffnungsvollsten Orte bei der Suche nach außerirdischem Leben im Sonnensystem. Eine aktuelle Studie hat nun das Potenzial für Leben auf Titan neu bewerten.

Bildnachweis: NASA/JPL-Caltech
Inhalt
Wie das internationale Team um den Postdoktorand Antonin Affholder vom Department für Ökologie und Evolutionsbiologie der University of Arizona und Peter Higgins vom Department für Erd- und Planetenwissenschaften der Harvard University aktuell im „Planetary Science Journal „(DOI: 10.3847/PSJ/adbc66) berichtet, haben sie ein realistisches Szenario dafür entwickelt, wie Leben auf Titan aussehen könnte – falls es existiert –, wo es am ehesten vorkommen könnte und wie viel davon vorhanden sein könnte. „In unserer Studie konzentrieren wir uns auf das, was Titan im Vergleich zu anderen eisigen Monden einzigartig macht: seinen reichen Gehalt an organischem Material“, so Affholder.
Ein realistisches Szenario
Hintergrund
Titan ist eine ebenso fremdartige wie erdähnliche, außerirdische Welt: Bedeckt von Flüssen, Seen und Meeren statt aus Wasser aus flüssigem Methan, einem atmosphörischen Flüssigkeitskreislauf mit Methan-Regen und -Schnee, eisigen Felsbrocken und Dünen aus rußartigem „Sand“, fasziniert seine Topografie seit Langem Wissenschaftler und regt Spekulationen darüber an, ob sich unter seiner dichten, dunstigen Atmosphäre Lebensformen verbergen könnten.
Mithilfe bioenergetischer Modellierung stellte das Team fest, dass Titans unterirdischer Wasser-Ozean, der schätzungsweise bis zu 480 Kilometer tief ist, Lebensformen unterstützen könnte, die organisches Material konsumieren.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kommen zu dem Schluss, dass Titan zwar möglicherweise einfaches, mikroskopisches Leben beherbergen könnte, dieses jedoch wahrscheinlich nur ein Gesamtgewicht von wenigen Kilogramm erreichen würde.
„Obwohl viel über mögliche Szenarien spekuliert wurde, wie aus Titans reicher organischer Chemie Leben entstehen könnte, litten frühere Schätzungen unter einem zu simplen Ansatz“, so der Forscher. „Es herrscht oft die Vorstellung, dass auf Titan aufgrund seines reichen organischen Vorkommens kein Mangel an Nahrungsquellen besteht, die Leben erhalten könnten. Wir weisen darauf hin, dass nicht alle dieser organischen Moleküle als Nahrungsquelle zu Verfügung stehen, der Ozean sehr groß und der Austausch zwischen Oberfläche und Ozean begrenzt ist – wo sich alles Organische befindet. Daher plädieren wir für einen differenzierteren Ansatz.“
Zurück zu den Grundlagen
Im Kern der Studie liegt ein „Zurück-zu-den-Grundlagen“-Ansatz, der ein plausibles Szenario für Leben auf Titan entwarf, basierend auf einem der einfachsten und bemerkenswertesten biologischen Stoffwechselprozesse: der Fermentation.
Bekannt aus der Sauerteigherstellung, dem Bierbrauen – und weniger willkommen – als Ursache verdorbener Reste, benötigt Fermentation nur organische Moleküle, jedoch keinen „Oxidator“ wie Sauerstoff, der für andere Stoffwechselprozesse wie Zellatmung entscheidend ist.
„Fermentation entwickelte sich wahrscheinlich früh in der Geschichte des Lebens auf der Erde und erfordert keine spekulativen Mechanismen, die möglicherweise auf Titan nie stattgefunden haben“, sagt Affholder und fügte hinzu, dass Leben auf der Erde möglicherweise durch Konsum organischer Moleküle entstand, die bei der Planetenentstehung übrig geblieben waren.
„Wir haben uns gefragt: Könnten ähnliche Mikroben auf Titan existieren? Wenn ja, welches Potenzial hat Titans unterirdischer Ozean für eine Biosphäre, die sich von den scheinbar riesigen Mengen an abiotisch entstandenen organischen Molekülen ernährt, die in Titans Atmosphäre entstehen, sich an der Oberfläche ablagern und im Inneren vorhanden sind?“
Schlüsselmolekül Glycin
Die Forscher konzentrierten sich dabei auf ein bestimmtes organisches Molekül: Glycin, die einfachste bekannte Aminosäure: „Wir wissen, dass Glycin in jeder Form von ursprünglichem Material im Sonnensystem relativ häufig vorkommt. Ob man Asteroiden, Kometen oder Gas- und Staubwolken betrachtet, aus denen Sterne und Planeten entstehen – überall findet man Glycin oder dessen Vorläufer.“
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Anhand von Computersimulationen zeigt die Arbeit nun, dass nur ein kleiner Teil von Titans organischem Material für Mikroben als Nahrung geeignet sein dürfte. Mikroben, die sich von Glycin ernähren, wären auf eine stetige Versorgung mit der Aminosäure von der Oberfläche durch die dicke Eisschicht hindurch angewiesen.
Frühere Studien desselben Teams hatten gezeigt, dass Meteoriteneinschläge auf dem Eis „Schmelzbecken“ aus flüssigem Wasser erzeugen könnten, die dann absinken und Oberflächenmaterial in den Ozean transportieren.
So viel, wie ein kleiner Hund
„Unsere neue Studie zeigt, dass diese Versorgung wahrscheinlich nur ausreicht, um eine sehr kleine Population von Mikroben zu erhalten – mit einem Gesamtgewicht von nur wenigen Kilogramm, etwa dem eines kleinen Hundes“, erläutert Affholder weiter. „Eine solch winzige Biosphäre würde im Durchschnitt weniger als eine Zelle pro Liter Wasser im gesamten riesigen Ozean von Titan bedeuten.“
Für eine zukünftige Mission zum Titan könnten die Chancen, Leben zu finden, also ähnlich hoch sein wie bei der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen; sofern sich das potenzielle Leben auf Titan nicht an einem anderen Ort als in den organischen Oberflächenmaterialien befindet.
„Wir kommen zu dem Schluss, dass Titans einzigartig reicher organischer Vorrat möglicherweise nicht in dem Maße zur Lebensfreundlichkeit des Mondes beiträgt, wie man es intuitiv annehmen würde“, so Affholder abschließend.
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Recherchequelle: University of Arizona
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