Studie zeigt: Schnelle Polumkehr doch möglich
Das Erdmagnetfeld schützt die Atmosphäre und Erdoberfläche vor schädlicher solarer- wie kosmischer Strahlung (Illu.).
Copyright: NASA
Canberra (Australien) – Immer wieder diskutieren Wissenschaftler, ob ein Polsprung – also die spontane und schnelle Umkehr der Polausrichtung des Erdmagnetfeldes – möglich ist oder nicht. Jetzt zeigt eine Untersuchung chinesischer Wissenschaftler: Vor rund 98.000 Jahren vollzog sich eine Polumkehr innerhalb von kaum mehr als gerade einmal 140 Jahren. Ein derart schneller Polwechsel heute könnte gravierende Folgen für unsere technologisch fixierte Gesellschaft haben.
Wie das Team um Dr. Yu-Min Chou von der chinesischen Southern University of Science and Technology, Professor Chuan-Chou Shen von der National Taiwan University und Professor Andrew Roberts von der The Australian National University (ANU) aktuell im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS, DOI: 10.1073/pnas.1720404115) berichtet, haben sie die Magnetisieruung eines Kalk-Stalagmiten aus der Sanxing-Höhle in der südwestchinesischen Guizhou-Provinz untersucht. Anhand dessen baumringartiger Schichtstruktur konnte eine genaue Datierung des jeweils untersuchten Materials und seiner Mineralien durchgeführt werden.
Auf diese Weise gelang es den Wissenschaftlern die magnetische Ausrichtung der Mineralien und damit jene des Erdmagnetfeldes über einen Zeitraum vor 91.000 bis 107.000 Jahren zu bestimmen.
Tropfsteine in der Sanxing-Höhle.
Copyright/Quelle: PNAS
Innerhalb des untersuchten Zeitraums stellten die Forscher zwei Schwächungsperioden des Erdmagnetfeldes vor 105.000 bis 103.000 Jahren und vor 92.000-98.000 Jahren fest. Diese Abschwächungen gingen mit Polverschiebungen und Schwankungen der Ausrichtung der magnetischen Feldlinien einher. Während sich einige dieser Fluktuationen über mehrere tausend Jahre hinwegzogen, dauerten andere nur wenige Jahrhunderte. In einem Fall stießen die Wissenschaftler dann aber auch auf eine abrupte Umkehr des irdischen Magnetfeldes, wie sie vermutlich gerade einmal etwas mehr als 140 Jahre benötigte und wie sie derart schnell bislang noch nie dokumentiert und nachgewiesen werden konnte.
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Für die Forscher bestätigt ihre Entdeckung jene Befürchtungen, wonach sich ein Polwechsel auch wesentlich schneller ereignen kann, als bislang allgemein angenommen.
Tatsächlich zeigen Messungen, dass die Feldstärke des irdischen Magnetfeldes seit etwa 1840 um rund 16 Prozent auf den heutigen Stand abgenommen hat und sich auch die Dipolfeld-Achse bereits verschoben hat, wodurch sich regionale Schwächezonen im Erdmagnetfeld gebildet haben.
Grafische Darstellung des Polwechsels innerhalb von rund 140 Jahren vor rund 98.000 Jahren.
Copyright/Quelle: PNAS
Ob es sich dabei nun aber um Vorboten einer erneuten und bevorstehenden Umpolung handelt und ob auch diese sich derart schnell vollziehen könnte, ist bislang noch unklar, da es ähnliche Schwächephasen seit der letzten bekannten Polumkehr (vor etwa 780.000 Jahren) immer wieder gab – ohne dass das Erdmagnetfeld dauerhaft seine Ausrichtung geändert hatte.
Bislang gingen Wissenschaftler allerdings davon aus, dass aufgrund des Umstandes, dass eine solche Umkehr nicht spontan, sondern tausende von Jahren dauert, genügend Zeit bliebe, als dass sich eine auf Technologie derart fixierte Zivilisation wie die unsrige darauf einstellen könnte. Diese Position gerät aufgrund der neusten Erkenntnisse nun ins Wanken.
Angesichts ihrer Analyseergebnisse warnen die Wissenschaftler um Chou nun jedoch vor einem erneuten schnellen Polwechsel, da nur ein starkes und stabiles Magnetfeld die Erdoberfläche und damit dortige Technologie, Elektronik, aber auch Satelliten auf Erdumlaufbahnen gegen den Partikelstrom des Sonnenwindes und andere kosmische Strahlung effektiv abschirmt. Falle dieser Schutz weg, wie es während einer Polumkehr der Fall sein könnte, könne dies gravierende Auswirkungen für unsere Zivilisation haben.
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