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Studie zur Homosexualität zeigt: Ein spezielles „Homo-Gen“ gibt es nicht

Symbolbild: „Der Kuss“ von Peter Behrens (1898). Copyright: Gemeinfrei
Symbolbild: „Der Kuss“ von Peter Behrens (1898).
Copyright: Gemeinfrei

Boston (USA) – Die bislang umfangreichste genetische Studie zur Frage, ob die sexuelle Orientierung eines Menschen genetisch beeinflusst oder gar bestimmt wird, kommt zu dem Schluss, dass es so etwas wie das oft zitierte spezielle „Homo-Gen“ nicht gibt.

Wie die Mediziner und Genetiker Andrea Ganna vom Massachusetts General Hospital aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.aat7693) berichten, werde stattdessen die Anziehungskraft einer Person auf Personen des gleichen Geschlechts durch eine komplexe Mischung aus genetischen Einflüssen und Umwelteinflüssen geprägt, ähnlich wie dies bei den meisten anderen menschlichen Merkmalen auch der Fall ist, berichten Forscher.

„Homosexualität ist also ein natürlicher und normaler Teil der Variationen unserer Art“, erläutert Mitautor Ben Neale vom Stanley Center for Psychiatric Research am Broad Institute of MIT and Harvard. „Das sollte auch jene Position unterstützen, dass wir nicht versuchen sollten, homosexuell orientierte Menschen davon ‚heilen‘ zu wollen.“

Die internationale Studie konzentrierte sich auf die genetischen Profile von fast 480.000 Menschen aus den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich. Damit ist die untersuchte Gruppe fast 100-mal so groß, wie jede frühere Studie über den Zusammenhang zwischen Genetik und gleichgeschlechtlicher Anziehungskraft, erläutert die leitende Forscherin Andrea Ganna vom Massachusetts General Hospital.

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Zwar entdeckten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen fünf spezifische genetische Varianten, die signifikant mit gleichgeschlechtlichem Verhalten in Verbindung gebracht werden konnten. „In Kombination erklären diese Varianten jedoch weniger als 1% der Anziehungskraft einer Person auf ihr eigenes Geschlecht“, so Ganna.

Insgesamt mache die Genetik zwischen 8 und 25 Prozent der gleichgeschlechtlichen Anziehungskraft einer Person aus, unter Berücksichtigung der Tausenden genetischer Merkmale, die letztendlich dazu beitragen, die sexuellen Wünsche einer Person zu formen.

Diese fünf spezifischen Gene, die mit dem gleichgeschlechtlichen Verlangen zusammenhängen, tauchten zudem an merkwürdigen Orten auf, stellten die Forscher fest: „Zum Beispiel befand sich einer in einem DNA-Abschnitt, der mehrere Gene enthält, die mit dem Geruchssinn zusammenhängen“, erläutert Ganna und führt dazu weiter aus: „Wir wissen, zwar dass Geruch eine starke Bindung zur sexuellen Anziehung hat, aber seine Verbindungen zu sexuellen Verhaltensweisen sind noch unklar.“ Ein anderes Gen wurde mit männlicher Glatze in Verbindung gebracht, was eng damit zusammenhängt, wie der Körper die Sexualhormone reguliert, und möglicherweise auf eine Beziehung zwischen Hormonregulation und gleichgeschlechtlichem Verlangen schließen lasse.

Trotz ihrer insgesamt geringen Wirkung könnten „diese genetischen Varianten auf einige biologische Signalwege hindeuten, die am gleichgeschlechtlichen Sexualverhalten beteiligt sein könnten“, so die Forscher.

Die Autoren der Studie resümieren denn auch: „Es ist praktisch unmöglich, das sexuelle Verhalten eines Individuums aus seinem Genom vorherzusagen. Genetik bildet weniger als die Hälfte der Geschichte unseres sexuellen Verhaltens ab, aber es ist immer noch ein sehr wichtiger Faktor. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Vielfalt als Schlüsselaspekt für sexuelles Verhalten.“

Für die weltweit größte LGBTQ-Interessenvertretung „GLAAD“ bestätigt die neue Studie damit auch „das seit langem bestehende Verständnis, dass es keinen schlüssigen Grad gibt, in dem ​​Natur oder Erziehung das Verhalten einer schwulen oder lesbischen Person beeinflusst.“

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Die Animation beschreibt die Gesamtergebnisse der Studie.
Es zeigt das Konzept der Erblichkeit und die Beziehungen zwischen Genen und Umwelt.

Zugleich stellen die Ergebnisse auch die sog. Kinsey-Skala in Frage, eine lange genutzte Bewertungsskala der sexuellen Anziehung, die zum Teil von dem Sexualforscher Alfred Kinsey entwickelt wurde: „Wir haben herausgefunden, dass die Kinsey-Skala, die Menschen in ein Kontinuum von grundsätzlich ausschließlich gegensätzlichen zu ausschließlich gleichgeschlechtlichen Partnern stellt, was die Vielfalt des Sexualverhaltens beim Menschen wirklich viel zu stark vereinfacht“, sagt Ganna.

Tatsächlich zeigen die Ergebnisse aber, dass genetische Variationen das gleichgeschlechtliche Sexualverhalten bei Männern stärker beeinflussen als bei Frauen, was möglicherweise die Komplexität der Sexualität von Frauen unterstreiche, sagt Melinda Mills, Professorin für Soziologie an der Universität Oxford, die einen Leitartikel zur neuen Studie verfasste. „Dies spiegelt Stimmen aus der LGBTQ-Community (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queer) wider, die argumentieren, dass eine Reihe von Sexualitäten existieren“, schreibt Mills. „Sexualität ist dynamisch, mit der Fähigkeit, sexuelle Vorlieben auszudrücken und zu verwirklichen, und wird daher auch von kulturellen, politischen, sozialen, rechtlichen und religiösen Strukturen geprägt und reguliert.“

Quelle: Science

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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Andreas Müller
(Kornkreisforscher)

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