Tasmanischer Tiger: Erstmals RNA einer ausgestorbenen Spezies rekonstruiert
Stockholm (Schweden) – Anhand eines mehr als hundert Jahre alten Museumsexponats eines auch als Tasmanische Tiger bezeichneten Beutelwölfen ist es Genetikern erstmals gelungen, die RNA einer (vermeintlich) ausgestorbenen Art wiederherzustellen.
Wie das Team um Emilio Mármol vom Science for Life Laboratory an der Universitet Stockholm aktuell im Fachjournal „Genome Research“ (DOI: 10.1101/gr.277663.123 https://genome.cshlp.org/content/early/2023/09/08/gr.277663.123 ) berichtet, gelang ihnen die Isolierung und Sequenzierung anhand eines Exponats eines Tasmanischen Tigers, das bei Zimmertemperatur in einer Museumssammlung aufbewahrt wurde.
Die Forschende stellen fest, dass ihre Ergebnisse relevante Auswirkungen auf internationale Bemühungen zur Wiederbelebung ausgestorbener Arten haben, einschließlich des Tasmanischen Tigers und des Wollhaarmammuts sowie für die Untersuchung von pandemischen RNA-Viren.
Hintergrund
Einst war der auf seine einzigartige Weise gestreifte „Tasmanische Tiger“ auf dem ganzen australischen Kontinent verbreitet, wurde aber in Konkurrenz zu den verwilderten Haushunden (Dingos) mehr und mehr zurückgedrängt und war schon vor rund 200 Jahren auf dem gesamten australischen Festland nahezu ausgerottet.Lediglich auf dem Inselstaat Tasmanien hatte eine große Population der Tiere diese Verdrängung überdauert, wurde hier dann aber in der britischen Kolonialzeit durch Jäger und Schafzüchter und ein staatliches Kopfgeld ebenfalls ausgerottet. Lediglich in verschiedenen Zoos überlebten die Tiere bis 1936, als das letzte lebende Exemplar auch dort verstarb. Seither gab und gibt es aber immer wieder Augenzeugen, die lebende Exemplare gesichtet und teilweise auf fotografiert und gefilmt haben wollen.
Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt der Tasmanische Tiger als eines der bekanntesten Wappentiere der sogenannten Kryptozoologie. Hierbei handelt es sich um einen Forschungs- und Wissenschaftszweig, der um die Erforschung von Tieren bemüht ist, die entweder eigentlich bereits als ausgestorben gelten oder die bislang zwar noch nicht wissenschaftlich, dafür aber in Sagen, Legenden und von Augenzeugen beschrieben wurden.
In jüngster Zeit konzentrieren sich die Bemühungen zur Wiederbelebung auf den Tasmanischen Tiger, da sein natürlicher Lebensraum in Tasmanien größtenteils erhalten ist und seine Wiedereinführung dazu beitragen könnte, das verlorene ökologische Gleichgewicht vergangener Zeiten wiederherzustellen, nachdem er endgültig verschwunden war. „Die Schaffung eines funktionsfähigen lebenden Tasmanischen Tigers erfordert jedoch nicht nur umfassende Kenntnisse seines Genoms (DNA), sondern auch der gewebespezifischen Genexpression und der Funktionsweise der Genregulation, die nur durch die Untersuchung seines Transkriptoms (RNA) erlangt werden können“, erläutert die Pressemitteilung der Universität.
„Die Wiederbelebung des Tasmanischen Tigers oder des Wollhaarmammuts ist keine triviale Aufgabe und erfordert ein tiefes Verständnis sowohl des Genoms als auch der Transkriptomregulation solch bekannter Arten, etwas, das erst jetzt zutage tritt“, erklärt Mármol.
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Die nun erfolgreiche, erstmalige Transkriptom der Haut- und Skelettmuskulaturgewebe eines 130 Jahre alten ausgetrockneten Tasmanischen Tiger-Exemplars, das bei Zimmertemperatur im Schwedischen Museum für Naturkunde in Stockholm aufbewahrt wurde, führte zur Identifizierung gewebespezifischer Genexpressionsmuster, die denen von lebenden Beutel- und Plazentatiertieren ähneln.
Diese so wiederhergestellten Transkriptome waren von so guter Qualität, dass es möglich war, muskel- und hautspezifische Protein-codierende RNAs, sowie fehlende ribosomalen RNA- und microRNA-Genen zu identifizieren.
„Es ist das erste Mal, dass wir einen Einblick in die Existenz von thylacinespezifischen regulatorischen Genen haben, wie beispielsweise microRNAs, die vor mehr als einem Jahrhundert ausgestorben sind“, sagt Mitautor Prof. Marc R. Friedländer.
Das bahnbrechende Studienergebnis eröffne „neue aufregende Möglichkeiten und Implikationen für die Erforschung der umfangreichen Sammlungen von Exemplaren und Geweben, die in Museen auf der ganzen Welt aufbewahrt werden, in denen RNA-Moleküle darauf warten könnten, entdeckt und sequenziert zu werden“, erläutern die Autoren und Autorinnen der Studie.
„In Zukunft könnten wir RNA nicht nur von ausgestorbenen Tieren, sondern auch von RNA-Virusgenomen wie SARS-CoV2 und ihren evolutionären Vorläufern aus den Hautproben von Fledermäusen und anderen Wirtsorganismen in Museumssammlungen wiederherstellen“, sagt der ebenfalls an der Studie beteiligte Professor Love Dalén, Professor für Evolutionsgenomik an der Universität Stockholm und dem Centre for Paleogenetics abschließend.
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Recherchequelle: Universitet Stockholm
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