Theia: Birgt der Mond Trümmer eines Protoplaneten?

Künstlerische Darstellung der Kollision zwischen der jungen Erde und Theia (Illu.). Copyright: NASA/JPL-Caltec
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Künstlerische Darstellung der Kollision zwischen der jungen Erde und Theia (Illu.). Copyright: NASA/JPL-Caltec

Künstlerische Darstellung der Kollision zwischen der jungen Erde und Theia (Illu.).
Copyright: NASA/JPL-Caltec

Albuquerque (USA) – Laut Lehrmeinung entstand das Erde-Mond-System vor rund 4,5 Milliarden Jahren durch den Zusammenstoß der noch jungen Erde mit dem etwa Mars-großen Protoplaneten Theia, in dem sich die Trümmer dieser Kollision in einer Umlaufbahn sammelten und zum Erdenmond ballten. Bislang fanden sich jedoch kaum eigentlich zu erwartende Unterschiede im Isotopenverhältnis zwischen Erde und Mond – ein Problem für die Theorie vom gewaltigen Einschlag Theias in die junge Erde. Neuste Analysen offenbaren nun erstmals doch Unterschiede zwischen Mond und Erde, die sich mit zunehmender Tiefe des Mondinneren zu verstärken scheinen. Birgt das Mondinnere also die lange Zeit gesuchten Reste des Protoplaneten Theia?

Die Hypothese vom Zusammenstoß zwischen Erde und Theia als Erklärung für die Entstehung des Mondes gilt deshalb bislang als die wahrscheinlichste, da sie auch die jüngsten Analysen von Proben, die einst von den Apollo-Missionen zurück zur Erde gebracht wurden, erklären kann. Dazu gehören der niedrige Eisengehalt des Mondes im Verhältnis zur Erde, der Mangel an flüchtigen Stoffen und die Anreicherung widerstandsfähiger Elemente.

Zugleich sagen die auf dieser Hypothese basierenden Modelle aber auch voraus, dass 70-90 Prozent des Mondes aus der bei der Kollision komplett zerstören Theia bestehen sollten. Bisherige Analysen der Apollo-Proben zeigen aber, dass die aber unter anderem Sauerstoff-Isotope beinhalten, die irdischen Sauerstoff-Isotopen sehr ähnlich sind, sich aber von jenen außerirdischer Körper im Sonnensystem stark unterscheiden.

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Eine mögliche Erklärung wäre zwar, dass Theia und die Erde eine sehr ähnliche Zusammensetzung hatten (es sich also sozusagen um „chemische Zwilllinge“ handelte), der Mond eben nicht hauptsächlich aus Theia- sondern aus Erdmaterial besteht oder, dass sich die beiden Protoplaneten bei der Kollision schlichtweg vollständig vermischten. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass zwei unterschiedliche Himmelskörper (Theia und Erde) sich in ihrer Zusammensetzung derart ähnlich sind, dass sich auch ihre Isotopensignatur gleicht, extrem gering.

Kurz: Die Zusammensetzung des Mondes sollte sich eigentlich deutlich von jener der Erde unterscheiden und dieser Unterschied sollte sich (auch) anhand der Sauerstoffisotope der beiden Himmelskörper abzeichnen.

Eine neue Analyse durch Wissenschaftler um Erick Cano von der University of New Mexico hat sich nun erneut einiger Apollo-Mondproben angenommen und die Sauerstoff-Isotope aus Basalten mit hohem und niedrigem Titanium-Anteil aus den Mondhochländern, Norit-Tiefengestein und vulkanisches (Mond-)Glas neu untersucht. Hierzu haben die Forscher die Standard-Isotopenanalyse derart modifiziert, dass mit ihr eine hochpräzise Bestimmung der Sauerstoff-Isotope möglich ist. Gleiche Analysen führten die Forscher dann auch mit Gesteinsproben aus dem Erdmantel durch.

Das Ergebnis offenbart nun tatsächlich Unterschiede in der isotopischen Zusammensetzung der unterschiedlichen Gesteine in einem Verhältnis zur Tiefe, aus der die untersuchten Proben ursprünglich stammten: Je tiefer der Ursprungsort des untersuchten Materials, desto deutlicher die Unterschiede der Sauerstoffisotope im Vergleich zur Erde.

„Dieser Unterschied lässt sich nur erklären, wenn die äußerste Oberflächenschicht des Mondes durch die Kollision pulverisiert und vermischt wurde“, berichten die Forscher aktuell im Fachjournal „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-020-0550-0). Auf diese Weise erkläre sich die oberflächliche Ähnlichkeit zur Erde, während sich tief im Mondinnern vermutlich Reste von Theia relativ unversehrt erhalten haben.

Laut den Autoren der Studie deuten die neuen Analyseergebnisse daraufhin, dass Theia selbst einst im äußeren Sonnensystem entstand, sich dann aber Richtung Sonne bewegt habe, wo der Protoplanet dann mit der ebenfalls noch jungen Erde kollidierte. „Wir können nun zeigen, dass die Einzigartigkeit von Theias Sauertsoff-Isotopen mit dem Einschlag nicht gänzlich verloren ging, sondern sich tief im Innern des Mondes sogar erhalten hat. Es braucht nun also keine theoretischen Mechanismen mehr, um eine Homogenisierung der Sauerstoff-Isotopenverhältnisse zwischen Erde und Mond zu erklären.“

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Quellen: University of New Mexico, Nature Geoscience

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