Theoretiker sehen Schlüssel zur Dunklen Materie in der 5. Dimension
Mainz (Deutschland) – Eine neue Theorie, „die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgeht und Fragen beantworten kann, bei denen das Standardmodell passen muss“, könnte u. a. dabei helfen, das Rätsel der Dunklen Materie zu lösen.
Wie die Gruppe um Prof. Dr. Matthias Neubert und Javier Castellano Ruiz vom Exzellenzcluster PRISMA+ an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Adrian Carmona von der spanischen Universidad de Granada aktuell im Fachjournal „European Physical Journal C“ (DOI: 10.1140/epjc/s10052-021-08851-0) berichtet, liefert die Theorie, an der sie arbeiten, beispielsweise Antworten auf Fragen in Bezug auf die Massen der Elementarteilchen oder die Existenz der Dunklen Materie.
Zentrales Element der Theorie ist demnach eine Extradimension in der sogenannten Raum-Zeit. Während die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bislang vor dem Problem standen, dass die Vorhersagen ihrer Theorie nicht experimentell überprüfbar waren, konnte dieses Hindernis nun überwunden werden.
Hintergrund
Bereits in den 1920er-Jahren spekulierten Theodor Kaluza und Oskar Klein anlässlich ihrer Suche nach einer vereinheitlichten Theorie der Schwerkraft und des Elektromagnetismus darüber, dass es neben den uns aus dem Alltag vertrauten drei räumlichen Dimensionen und der Zeit – zusammengefasst in der vierdimensionalen Raum-Zeit der Physik – weitere Raumdimensionen geben könnte. Diese wären allerdings winzig klein und für den Menschen nicht wahrnehmbar. In den späten 1990er-Jahren erlebte diese Idee eine bemerkenswerte Renaissance, als erkannt wurde, dass die Existenz einer fünften Dimension einige der offenen Fragen der Teilchenphysik beantworten kann. So haben etwa Yuval Grossman von der Universität Stanford und Matthias Neubert, zu dieser Zeit Professor an der Cornell Universität in den USA, in einer vielbeachtenden Arbeit gezeigt, dass durch die Einbettung des Standardmodells der Teilchenphysik in eine fünfdimensionale Raum-Zeit die bis dahin mysteriösen Muster in den Massen der bekannten Elementarteilchen erklärt werden können. Wiederum 20 Jahre später machte die Gruppe um Prof. Dr. Matthias Neubert, der seit 2006 an der JGU forscht und lehrt und dort Sprecher des Exzellenzclusters PRISMA+ ist, eine weitere unerwartete Entdeckung: Sie fanden heraus, dass die fünfdimensionalen Feldgleichungen die Existenz eines neuen schweres Teilchens vorhersagen, das sich ähnlich wie das Higgs-Boson des Standardmodells verhalten sollte, dessen Masse aber um ein Vielfaches schwerer ist – so schwer, dass es selbst am weltweit größten Teilchenbeschleuniger LHC am Europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf nicht produziert und nachgewiesen werden kann.
(Quelle: JGU)
„Es war wie verhext. Wir waren begeistert von der Idee, dass unsere Theorie die Existenz eines neuen Elementarteilchens vorhersagt, aber uns fehlte die Möglichkeit, diese Hypothese in absehbarer Zeit experimentell zu überprüfen“, erinnert sich Castellano Ruiz, der als Doktorand in Mainz maßgeblich an den theoretischen Forschungen beteiligt ist.
Den Ausweg aus dem bisherigen Dilemma, beschreiben die theoretischen Physiker in ihrem Fachartikel: Das postulierte neue Teilchen vermittelt zwangsläufig eine Wechselwirkung zwischen den bekannten Elementarteilchen und der mysteriösen Dunklen Materie im Universum. Sogar die beobachtete Menge an Dunkler Materie, die aus astrophysikalischen Beobachtungen bestimmt wurde, lasse sich nun im Rahmen der neuen Theorie erklären.
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Auf diese Weise bieten sich interessante neue Möglichkeiten für die Suche nach den Bausteinen der Dunklen Materie – eben sozusagen über den Umweg durch die fünfte Dimension – sowie Einblicke in die frühe Geschichte des Universums, während der die Dunkle Materie produziert wurde.
„Nach Jahren, in denen wir intensiv nach möglichen Bestätigungen unserer theoretischen Vorhersagen gesucht haben, sind wir nun zuversichtlich, dass der von uns entdeckte Mechanismus die Dunkle Materie erklärt und dabei helfen wird, diese experimentell nachzuweisen. Denn die Eigenschaften der Wechselwirkung zwischen der sichtbaren und der Dunklen Materie – die das von uns postulierte Teilchen vermittelt – werden von der Theorie präzise vorhergesagt“, so Neubert.
Zwar lasse sich das neue Teilchen zunächst nicht direkt, sondern nur über seine Wechselwirkung nachweisen, doch zeige das beschriebene, wie sich experimentelle und theoretische Grundlagenforschung ergänzen können, die die Forschenden aus Mainz und Granada abschließend.
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