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Essay: „Unser Platz im Universum wird sich in den nächsten 50 Jahren dramatisch verändern“

Symbolbild: Mensch und Universum (Illu.). Copyright: Comfreak (via Pixabay.com) Pixabay License
Symbolbild: Mensch und Universum (Illu.).
Copyright: Comfreak (via Pixabay.com) Pixabay License

Im Jahr 1900 wandte sich der prominente Physiker Lord Kelvin an die britische Vereinigung zur Förderung der Wissenschaft mit den Worten: „In der Physik gibt es derzeit nichts Neues zu entdecken.“ Wie falsch er doch lag. Das folgende Jahrhundert stellte die Physik völlig auf den Kopf. Eine Vielzahl von theoretischen und experimentellen Entdeckungen haben unser Verständnis des Universums und unseren Platz darin verändert. Erwarten Sie nicht, dass das nächste Jahrhundert anders wird. Das Universum birgt noch viele Rätsel, die es noch aufzudecken gilt – und neue Technologien werden uns helfen, sie in den nächsten 50 Jahren zu lösen.

– Bei diesem Essay handelt es sich um ein Essay von Robin Smith, Dozent für Physik an der Sheffield Hallam University und wurde unter der Creative Commons-Lizenz (CC BY ND 4.0) erstmals im englischsprachigen Original auf  TheConversation.com veröffentlicht. Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung dieses Textes durch Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) mit Verweis auf die Creative Commons-Lizenz, die von Autor nicht ausdrücklich autorisiert wurde.

Das erste Rätsel betrifft die Grundlagen unserer Existenz. Die Physik sagt voraus, dass der Urknall die gleiche Menge der Materie produziert hat, aus der Sie und ich bestehen, und etwas, das man Antimaterie nennt. Die meisten Materieteilchen haben einen Antimaterie-Zwilling, der mit der entgegengesetzten elektrischen Ladung identisch ist. Wenn sich die beiden treffen, vernichten sie sich gegenseitig, wobei all ihre Energie in Licht umgewandelt wird. Aber das heutige Universum besteht fast ausschließlich aus Materie. Wo ist also die ganze Antimaterie geblieben?

Der Teilchenbeschleuniger „Large Hadron Collider“ (LHC) am Europäischen Kernforschungszentrum CERN hat einige Einblicke in diese Frage eröffnet. Hier kollidieren Protonen mit unvorstellbaren Geschwindigkeiten, wodurch schwere Materie- und Antimaterieteilchen erzeugt werden, die in leichtere Teilchen zerfallen, von denen einige noch nie zuvor gesehen wurden. Der LHC hat gezeigt, dass Materie und Antimaterie etwas unterschiedlich schnell zerfallen. Auf diese Weise erklärt sich – wenn auch bei Weitem noch nicht umfassend, warum wir die Materie-Antimaterie-Asymmetrie in der Natur sehen.

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Das Problem liegt nun aber darin, dass Protonen selbst aus noch kleineren Partikeln bestehen. Wenn sie kollidieren, werden diese Innereien in alle Richtungen versprüht. Das macht es sehr schwierig, neue Partikel zwischen diesen Trümmern zu finden und ihre Eigenschaften genau zu messen, um so weitere Hinweise darauf zu erhalten, warum und wie soviel Antimaterie verschwunden ist.

Drei neue Teilchenbeschleuniger sind bereits in Planung und werden die Forschung in den kommenden Jahrzehnten verändern. Der wichtigste unter ihnen ist der „Future Circular Collider“ (FCC) – ein 100 km langer Tunnel, der Genf umgibt und den bereits vorhandenen 27 km langen LHC als Helling benutzt (…GreWi berichete). Anstelle von Protonen werden dann Elektronen und ihre Antiteilchen, Positronen, mit viel höheren Geschwindigkeiten aufeinandertreffen und zerschlagen, als sie mit dem LHC erreicht werden können.

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Im Gegensatz zu Protonen sind Elektronen und Positronen unteilbar – wir wissen also genau, was wir da zusammenstoßen. So werden wir dann auch in der Lage sein, die Energie, mit der die beiden zusammenstoßen, zu variieren, um spezifische Antimaterieteilchen zu erzeugen und ihre Eigenschaften – insbesondere die Art und Weise, wie sie zerfallen – genauer zu messen.

Diese Untersuchungen könnten völlig neue physikalische Erkenntnisse liefern. Eine Möglichkeit ist die, dass das Verschwinden der Antimaterie mit der Existenz dunkler Materie zusammenhängt – jenen bisher nicht nachweisbaren Partikeln, die satte 85% der Masse im Universum ausmachen. Das Fehlen von Antimaterie und die Verbreitung dunkler Materie sind wahrscheinlich den Bedingungen während des Urknalls zu verdanken, weshalb diese Experimente also auch die Ursprünge unserer eigenen Existenz untersuchen.

Es ist heute noch unmöglich vorherzusagen, wie bisher verborgene Entdeckungen aus diesen Experimenten unser Leben verändern werden. Als wir das letzte Mal die Welt mit einer stärkeren Teilchenbeschleuniger-Lupe betrachteten, entdeckten wir subatomare Teilchen und die Welt der Quantenmechanik – die wir derzeit nutzen, um Computer, Medizin und Energieerzeugung zu revolutionieren…

Nicht länger allein
Ebenso viel gibt es auf kosmischer Ebene zu entdecken. Nicht zuletzt stellt sich noch immer die uralte Frage, ob wir im Universum allein sind. Trotz der jüngsten Entdeckung von flüssigem Wasser auf dem Mars gibt es noch keine direkten Hinweise auf dortiges mikrobielles Leben. Selbst wenn es gefunden wird, bedeutet die raue Umgebung des Planeten vermutlich, dass es unglaublich primitiv wäre.

Auch die Suche nach Leben auf Planeten in anderen Sternensystemen hat bisher keine Früchte getragen. Der 2021 bevorstehende Start des James-Webb-Weltraumteleskops (James-Webb-Space-Telescope, JSWT), wird die Art und Weise, wie wir potentiell lebensfreundliche Exoplaneten entdecken, revolutionieren.

Im Gegensatz zu früheren Teleskopen, die den Lichteinfall eines Sterns messen, während ein umlaufender Planet (in einem sogenannten Transit vor der „Sonnenscheibe“ seines Sterns) vorbeizieht, wird das JWST einen sogenannten Koronografen verwenden, um das Licht von einem Stern abzudecken. Dies funktioniert in etwa so, als würde man mit der Hand verhindern, dass Sonnenlicht in die Augen gelangt. Mit dieser Technik kann das Teleskop dann kleine Planeten direkt beobachten, die normalerweise vom grellen Glanz ihres Sterns überblendet werden.

Das James-Webb-Weltraumteleskop kann aber nicht nur neue Planeten erkennen, sondern auch feststellen, ob auf ihnen auch Leben möglich sein könnte: Wenn das Licht eines Sterns durch die Atmosphäre eines seiner Planeten fällt, werden bestimmte Wellenlängen absorbiert und es entstehen Lücken im reflektierten Lichtspektrum. Ähnlich wie ein Barcode können diese Lücken als eine Signatur für die Atome und Moleküle gelesen werden, aus denen sich die Atmosphäre des Planeten zusammensetzt.

Die Spiegel des „James Webb Space Telescopes“ bei der Montage. Copyright: NASA
Die Spiegel des „James Webb Space Telescopes“ bei der Montage.
Copyright: NASA

JWST kann diese „Barcodes“ lesen, um festzustellen, ob die Atmosphäre eines Planeten die notwendigen Lebensbedingungen aufweist. In 50 Jahren könnten wir dann Ziele für zukünftige interstellare Weltraummissionen haben, um zu bestimmen, was oder wer dort leben könnte.

Mit dem Jupitermond Europa wurde aber bereits ein Ort in unserem eigenen Sonnensystem identifiziert, der unserem Zuhause sehr viel näher ist als ferne Exoplaneten und dennoch außerirdisches Leben beherbergen könnte. Trotz seiner kalten Temperaturen von minus 220 ° C können die Gravitationskräfte des massereichen Planeten, den dieser Mond umkreist, Wasser unter der Oberfläche so weit erwärmen, dass es nicht gefrieren kann, sodass auch hier vielleicht mikrobielle oder sogar höher entwickelte aquatische Lebewesen leben können.

Eine neue Mission mit dem Namen „Europa Clipper“, deren Start 2025 ansteht, soll die Existenz eines unterirdischen Ozeans bestätigen und einen geeigneten Landeplatz für eine nachfolgende Mission identifizieren. Auch sollen die Wassereisfontänen aus der Eisoberfläche des Planeten intersucht werden, um so festzustellen, ob in dem Wasser, das diese geysirartigen Ausbrüche speist, organische Moleküle vorhanden sind.

Ob es die kleinsten Bausteine ​​unserer Existenz oder die Weite des Weltraums sind – das Universum birgt immer noch eine Reihe von Geheimnissen über seine Funktionsweise und unseren Platz darin. Es wird seine Geheimnisse nicht so leicht preisgeben – aber die Chancen stehen gut, dass wir unser Universum in 50 Jahren grundlegend anders sehen werden als wir dies heute noch tun.

Anm. GreWi: Und das sind nur einige wenige populäre Beispiele dafür, wie unser Drang zu forschen und unser Wissen zu mehren – gepaart mit den immer größeren und präziseren Möglichkeiten unserer Wissenschaft – unseren Alltag und unserer Weltbilder schon mittelfristig massiv verändern werden. GreWi wird berichten…

– Bei diesem Essay handelt es sich um ein Essay von Robin Smith, Dozent für Physik an der Sheffield Hallam University und wurde unter der Creative Commons-Lizenz (CC BY ND 4.0) erstmals im englischsprachigen Original auf  TheConversation.com veröffentlicht. Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine Übersetzung dieses Textes durch Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) mit Verweis auf die Creative Commons-Lizenz, die von Autor nicht ausdrücklich autorisiert wurde.

Quelle: TheConversation.com

© Robin Smith, TheConversation.com / grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Autor und Publizist
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Andreas Müller
(Kornkreisforscher)

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