Ur-Mythos Plejaden: Australische Felsenkunst erzählt die Legende von den Sieben Schwestern
Barcaldine (Australien) – Der Felsüberhang von Mara Wonga im australischen Queensland gehört zu den mit prähistorischen Felszeichnungen meist verzierten Sandsteinfelsen Australiens. Eine neue Bestandsaufnahme dieser Felsenkunst offenbart nun zahlreiche neue Erkenntnisse über die Alltags- und Vorstellungswelten der Menschen, die sie einst erschaffen haben. Hier finden sich Darstellungen von Schlangen, mythologischen Menschenwesen mit oft mehr als nur fünf Zehen und Phallusabbildungen. Hinzu erzählt der Fels auch den Ur-Mythos um das Siebengestirns der Plejaden – die Geschichte von den Sieben Schwestern.
Wie das Team um Professor Paul Tacon und Dr. Andrea Jalandoni von der Griffith University an der Gold Coast und dem Australian Research Centre for Human Evolution aktuell im Fachjournal “Australian Archaeology” (DOI: 10.1080/03122417.2022.2084666) berichtet, bildet Mara Wonga auf 160 Metern Länge zahlreiche Motive und Geschichten der lokalen indigenen Ureinwohner ab.
Die Forschenden schätzen, dass hier mehr als 15.000 einzelne Felsenkunstwerke, Petroglyphen (also Felsritzungen und Reliefs) sowie Felsmalereien vereint sind. Hauptsächlich stellen diese Tierspuren, Pfade. Linien, Kerben oder Bohrlöcher dar. Vor Ort finden sich aber auch 11 Abbildungen menschlicher Hände.
Besonders auffallend ist jedoch die Abbildung von sieben großen, stern-artigen Formen, deren Mittelpunkt jeweils eine Mulde bilden und die durch große, schlangenartige Muster miteinander und anderen Petroglyphen verbunden sind.
Zudem fanden die Forschenden Ansammlungen von menschenähnlichen Fußabdruck-Petroglyphen auf dem Boden vor der Wand. Einige davon weisen allerdings sechs oder mehr Zehen auf. „Obwohl die unterschiedlichen Gruppen vermutlich zu unterschiedlichen Zeiten entstanden, verteilen sich zehn dieser Anordnungen von Fußbildern über die gesamte Länge der Bildwand und scheinen in einer bestimmten Abfolge von Süden nach Norden angeordnet zu sein“, erläutert Tacon. „Zugleich macht diese Anordnung und Abfolge aber vor dem Hintergrund der Traumzeitlegende von den träumenden sieben Schwestern der lokalen Aborigines durchaus Sinn.“
Offenbar, so führen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Zusammenarbeit mit den heute noch vor Ort lebenden Iningai-Aborigines weiter aus, werde hier genau diese Legende der Sieben Schwestern erzählt.
Hintergrund
In vielen Kulturen rund um den Globus erzählten sich die Menschen beim Anblick des sogenannten Siebengestirns der Plejaden in Verbindung mit dem Sternbild des Orions Legenden von sieben Schwestern, die von lüsternen Männern oder einem liebeshungrigen Mann gejagt werden. Tatsächlich könnte es sich bei diesen Legenden um den ältesten Mythos der Menschheit handeln, vermuteten australische Wissenschaftler um Ray P. Norris von der Western Sydney University und Barnaby R. M. Norris von der University of Sydney bereits 2021 in einem Fachartikel.„Wir haben uns der Frage gewidmet, warum in wirklich vielen alten Mythen, Sagen und Legenden rund um die Plejaden diese meist mit sieben jungen Mädchen gleichgesetzt werden, die von einem oder mehreren Männern in Form des Sternbilds Orion gejagt werden. „Tatsächlich finden sich diese Gemeinsamkeit u. a. in den Erzählungen der australischen Aborigines wie auch ganz ähnlich in der griechischen Mythologie und das, obwohl beide Kulturen nie Kontakt zueinander hatten. (…) Die auffallenden Übereinstimmungen (die Plejaden werden mit sieben Mädchen/Jungfrauen, Orion mit einem oder mehreren männlichen Jägern assoziiert, die den Mädchen nachstellen), legt einen gemeinsamen Ursprung der Geschichten nahe, der lange vor dem ersten neuzeitlichen Kontakt zwischen Europäern und den Ureinwohnern Australiens liegen muss“, erklären die Astronomen.
Dieser letzte Kontakt muss also in jener Zeit gesucht werden, als die Vorfahren beider Kulturen vor rund 100.000 Jahren noch gemeinsam den afrikanischen Kontinent bewohnten.“ In ihrer Studie untersuchten Norris und Norris auf astronomischem Wege zunächst die Möglichkeit, ob und wann die Plejaden für die meisten Menschen als tatsächliches „Siebengestirn“ am Himmel sichtbar waren. Neben der Möglichkeit, dass einer der variablen Sterne tatsächlich und schlichtweg an Helligkeit verlor, diskutieren die Autoren auch, dass der als Pleione bezeichnete Stern aufgrund der Eigenbewegung vor rund 100.000 Jahren tatsächlich weiter von seinem Nachbarstern Atlas entfernt war als heute. In einer Simulation zeigten sie auch, wie sich die beiden Sterne, die damals durchschnittlich 3 Bogenminuten voneinander entfernt waren, aufgrund dieses Umstandes am Himmel als zwei Sterne und das Sternbild damit auch mit bloßem Auge tatsächlich als Siebengestirn am Himmel stand. „Die Vorfahren der australischen Aborigines verließen den afrikanischen Kontinent vor rund 100.000 Jahren“, erläutern Norris und Norris. „Archäologische Funde und DNA-Analysen zeigen, dass diese sehr eng mit den Vorfahren der modernen Europäer verwandt waren, die Afrika etwa zur gleichen Zeit verlassen hatten. Vor rund 50.000 Jahren in Australien angekommen, erfuhr die Aborigine-Kultur kaum Brüche, zugleich auch kaum Kontakt zu anderen Kulturen. Zu jenem Zeitpunkt, als die beiden Vorfahren-Gruppen also noch gemeinsam den afrikanischen Kontinent bewohnten, waren die Plejaden also tatsächlich als sieben Sterne sichtbar.“ Der Umstand, dass beide Kulturen die Plejaden als “Sieben Schwestern” bezeichnen, lege also nahe, dass entsprechende Geschichten aus eben jener Zeit stammen. „Die Sagen um die Sieben Schwestern könnten somit zu den Ur-Erzählungen der Menschheit gehören.“ (…GreWi berichtete).
Anhand der nun beschriebenen Symbolik vermuten auch Tacon und sein Team, dass auch Mara Wonga also eine eher gewaltsame sexualisierte Jagd des Jägers nach den sieben Schwestern erzählt…
Das Felsenfries beginnt mit der Darstellung einer menschenähnlichen, anthropomorphen Abbildung, die als Wattarui, Ahnenwesen der Ureinwohner…
Copyright: P. Tacon
Diese Abbildung wird durch Schlangenlinien mit einer Gruppe von in den Boden gravierten Füßen verbunden…
Copyright: P. Tacon
Einige dieser Füße weisen sechs oder mehr Zehen auf. (Klicken Sie auf die Bildmitte, um zu einer vergrößerten Darstellung dieses Fotos zu gelangen.)
Copyright: P. Tacon
Begleitet werden diese Füße von Darstellungen von Dingo-Fährten…
Copyright: P. Tacon
Es folgen das Relief eines den Jäger symbolisierenden großen, offenbar erigierten Penis sowie Boomerang-Darstellungen…
Copyright: P. Tacon
Erneut verbinden dann Schlangenlinien diese „Jäger“ mit den sieben Sternabbildungen…
Copyright: P. Tacon
Neben den Petroglyohen der Legende der Sieben Schwestern finden sich in Mara Wonga auch zahlreiche Felsmalereien, viele davon in Form sogenannter Schablonenabbilder realer Objekte wie Boomerangs, eines traditionellen Grabstocks und menschliche Hände (s. Abb. l.; Copyright: P.Tacon).
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Zwar werden auch an anderen Orten mit Felsenkunst der Aborigines Geschichten aus der sogenannten Traumzeit in Bildern erzählt, doch sei der Umstand einzigartig, dass an Mara Wongo eine einzelne Geschichte über eine so weiter Strecke verewigt wurde.
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Recherchequelle: Grifith University, Australian Archaeology, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuelld.e
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