Palisades (USA) – Unter dem arktischen, mehr als 1,8 Kilometer dicken Grönlandeis haben Forscher die Sedimente eines großen urzeitlichen Sees entdeckt. Von der Entdeckung erhoffen sich Forscher Einblicke in die urzeitliche Umwelt und das Klima Grönlands.
Wie Guy Paxman, Jacqueline Austermann und Kirsty J. Tinto vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University aktuell im Fachjournal “Earth and Planetary Science Letters” (EPSL; DOI: 10.1016/j.epsl.2020.116647) berichten, muss sich der See einst gebildet und existiert haben, als das nordwestliche Grönland noch eisfrei war. Entdeckt wurden die Sedimente anhand von bodenprenetrierenden Scans, die unter anderem von der NASA-Mission „IceBridge“ erstellt wurden.
Entsprechend könnten die Sedimente einzigartige Fossilien und chemische Fingerabdrücke längst vergangenen Lebens und des Klimas beinhalten. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erhoffen sich von derartigen Entdeckungen und Daten neue Erkenntnisse darüber, wie sich das Grönlandeis in den kommenden Jahren aufgrund der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung verhalten wird. Statt also zu warten, bis das Eis gänzlich abschmilzt, suchen die Forscher derzeit nach Wegen, das urzeitliche Seebett mit Hilfe von Bohrungen zu beproben.
„Die Sedimente könnten ein wichtiges Informationslager sein und Einblicke in Landschaften gewähren, die derzeit noch vollständig versiegelt und unerreichbar ist“, erläutert Paxman und führt dazu weiter aus. „Wir arbeiten daran, den Grönland-Eisschild und sein Verhalten in der Vergangenheit besser zu verstehen, um so sein Verhalten in nächster Zukunft besser verstehen zu können.
Das Abschmelzen der Eisdecke über Grönland beschleunigt sich in den vergangenen Jahrzehnten und Jahren zusehends. Die hier in Form von Eis gespeicherte Wassermenge könnte – würde der Grönland-Eisschild vollständig abschmelzen, – die weltweiten Meeresspiegel um mehr als 7 Meter ansteigen lassen.
Anhand der Daten gegen die Forscherinnen und Forscher davon aus, dass der See einst eine Fläche von rund 7.100 Quadratkilometern bedeckte. Zum Vergleich: Der Bodensee bedeckt eine Fläche von 536 Quadratkilometern.
Die jetzt detektierten Sedimente sind offenbar 1,2 Kilometer dick. Zudem weisen die Daten ein Netzwerk von mindestens 18 Zuflüssen und einem Ab-Fluss und deren Flussbettsedimenten aus. Anhand der Daten schlussfolgern die Forscher und Forscherinnen zudem, dass der See einst zwischen 50 und 250 Metern tief war.
In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler immer wieder subglazialen Seen in Grönland und der Antarktis entdeckt, die selbst heute noch flüssiges Wasser zwischen dem Grundgestein und der mächtigen Eisdecke besitzen. Die nun beschriebene Entdeckung ist das erste Mal, dass Wissenschaftler ein fossiles Seebett entdeckt haben, das entstand, als Grönland noch eisfrei war. Derzeit gibt es keine Hinweise dafür, dass das Seebett heute noch flüssiges Wasser beinhaltet.
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Derzeit sei es noch nicht möglich, zu sagen, wie alt genau der urzeitliche See bzw. das Sediment ist. „Es ist wahrscheinlich, dass sich das Eis in den vergangene 10 bis 30 Millionen Jahren immer wieder ausgebreitet und zurückgezogen hat. (…) Angesichts der Tiefe der Sedimente ist aber sicher, dass sich der See einst während eisfreier Zeiten über Hunderte, Tausende oder sogar Millionen von Jahren gebildet hatte.“ Eine direkte Beprobung der Sedimente könnte auch diese Frage beantworten.
Auch die Frage, was in den Sedimenten gefunden werden könnte, ist bislang noch unbeantwortet: „An anderen Grenzen zwischen Eis und Grund wurden bislang Pollen und andere Materialien gefunden. Das zeigt uns, dass Grönland in den vergangenen eine Million Jahren wechselnde Perioden von Kälte und Erwärmung durchlebte, in denen hier auch Pflanzen und vielleicht Wälder wachsen konnten. Die Beweislage ist aber noch nicht ganz schlüssig, dass derart loses Material nur schwer genau zugeordnet und datiert werden kann“, berichten die Forscher im „State Of The Planet“-Blog der Universität. „Die jetzt gefundenen See-Sedimente könnten hingegen ein völlig intaktes Archiv an Fossilien und chemischen Signalen darstellen, dass uns einen einmaligen Einblick in die Vergangenheit erlaubt.“
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Quelle: State oft he Planet / Columbia University
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