Stockholm (Schweden) – 2022 entdeckten Archäologen im polnischen Pien die sterblichen Überreste eine Frau, die mit einem Vorhängeschloss und einer Sichel über dem Hals offenbar davon abgehalten werden sollte, als Vampir bzw. Wiedergängerin aus dem Reich der Toten zurückzukehren und den Lebenden nachzustellen. Anhand von 3D-Scans des Schädels wurde nun das Aussehen der jungen Frau rekonstruiert.
Entdeckt wurde das Skelett der jungen Frau, der die Forschenden den Namen „Zosia“ gaben, 2022 bei Ausgrabungen nahe nahe Pien im Südosten Polens von dem Archäologen-Team Professor Dariusz Poliński und Dr. Magdalena Zagrodzka von der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Torun (…GreWi berichtete).
Alte Traditionen im Umgang mit Wiedergängern
Wie die Forschenden berichteten, war es noch im 17 Jahrhundert in einigen Teilen Osteuropas Brauch, vermeintliche Vampire bzw. Wiedergänger mit einer vor der Kehle des Toten platzierten Schneide einer Sichel davon abzuhalten, sich im Grab als Untoter wieder aufzurichten. Im Falle des Skeletts im Grab Nr. 75 von Pien, im Südosten Polens, das die Forschenden ins 17. Jahrhundert datieren konnten, fand sich zudem um einen Zeh der Frau eine Art Vorhängeschloss. Vermutlich war dies eine weitere symbolische Vorsichtsmaßnahme gegen die körperliche Rückkehr der Verstorbenen. Eine Seidenhaube, die einst den Schädel der Toten bedeckte, spricht für einen hohen gesellschaftlichen Status der Verstorbenen.
Wie eine spätere Untersuchung zeigen sollte, war das Vorhängeschlosss zudem auch noch geöffnet, was die Archäologen zu der Vermutung leitete, dass die noch junge Frau zunächst nur als erste Vorsichtsmaßnahme mit dem Schloss um den Zeh begraben wurde. Als dann, bei der damals üblichen erneuten überprüfenden Graböffnung, das Schloss (warum und wie auch immer) geöffnet vorgefunden wurde, wurde die Tote, die nun vermutlich erwiesen als ein „Wapierz“ galt, endgültig mit der Sichel um den Hals ins Grab gebannt.
Wer war Zosia?
Wie Zagrodzka und Poliński später berichteten, zeigten osteologische Analysen, dass es sich um das Skelett einer erst 18–20-jährigen Frau gehandelt hatte. Am Skelett der 1,62 großen Frau fanden sich zudem Hinweise auf zahlreiche Erkrankungen: Ihre Schienbeine zeigten parallele horizontale Linien sogenannte Harris-Linien. Ein Hinweis dafür, dass sie in ihrer Kindheit an Unterernährung, Trauma oder Krankheit litt. Ihr Brustbein zeigte Anzeichen von Krebs, der ihr – obwohl er vermutlich nicht tödlich war – wahrscheinlich viele Schmerzen verursachte. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten, dass sich der Krebs als sichtbares, rotes Mal auf ihrer Brust oder als eine große Schwellung in der gezeigt haben könnte. Ihre Wirbel, die dem Schädel am nächsten liegen, zeigten Anzeichen für die Kimmerle-Anomalie, die kann starke Kopfschmerzen, plötzliche Ohnmachtsanfälle verursachen und im schlimmsten Fall sogar zu einem Schlaganfall führen kann. Alle Anzeichen zusammen, könnte das Erscheinungsbild der jungen Frau zumindest ungewöhnlich haben wirken lassen und so zur möglichen Befürchtung ihrer Mitmenschen beigetragen haben, dass die vermutlich adelige Frau nach ihrem Tod als Vampir wiederkehren könnte.
Eine DNA-Analyse verlagerte die Herkunft der Frau ins südwestliche Schweden. Im Zuge des 30-jährigen Krieges, in dem schwedische Landsknechte auch in Polen für Schrecken und eine feindliche Haltung gegenüber Menschen schwedischer Herkunft gesorgt haben dürfte, könnte dieser Umstand zusätzlich zu den Ängsten der Dorfbevölkerung von Pien beigetragen haben.
Zosia erhält ihr Gesicht zurück
“Als ich zum ersten Mal von dem Vampir-Grab in Pien las, dachte ich, dass es übertrieben sein müsse“, berichtet der Bildhauer und Forsensik-Künstler Oscar D. Nilsson gegenüber GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi). „Doch als ich dann die Bilder des Fundes sah, wurde mir die Bedeutung und Seltenheit dieses Fundes direkt bewusst.“
Gemeinsam mit den polnischen Archäologen rekonstruierte Nilsson das Aussehen der jungen Frau: „Angesichts ihrer vermutlich traurigen Geschichte war mir von Anfang an klar, dass Zosia als Mensch dargestellt werden muss und nicht als jenes Ungeheuer, als das sie begraben wurde.“
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Anhand des 3D-Nachdrucks von Zosias Schädel begann der Künstler dann mit der Nachbildung der Gesichtszüge der jungen Frau: „Zosia hatte offensichtlich einen grazilen und jugendlichen Schädel; fast keine Muskelansatzreliefs und eine eher rundliche Gesichtsform. (…) Der Abstand zwischen ihrer Nase und ihrem Mund war lang, und der Mund ragte ein wenig unter der breiten Nase hervor. Eine glatte, vertikale Stirn über den weit auseinanderliegenden Augenhöhlen. Ihre Pigmentierung wurde durch DNA- und Isotopenanalysen bestimmt, die möglicherweise auf Südschweden hinweisen.“
Zu dem Ergebnis seiner Arbeit, das auch in der TV-Dokumentation (ein deutschsprachiger Sendetermin steht derzeit noch nicht fest) zu sehen ist, das Nilsson abschließend: „Zosia hatte ein interessantes Gesicht. Kein Vampir. Nur eine junge Frau, die zwar vermutlich aus einer wohlhabenden Familie stammte, deren Aussehen jedoch von ihren Krankheiten gezeichnet war.
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