Vietnam-Kantschile: Kamerafallen dokumentieren erstmals in Vietnam ausgestorben geglaubte Maushirsche
Berlin (Deutschland) – Da seit 1990 keine Vietnam-Kantschile mehr gesehen wurden, galten die auch als „Vietnamesische Maushirsche“ bezeichneten kleinen Huftiere als extrem von Aussterben bedroht oder gar als bereits ausgestorben. Jetzt aber konnten Forscher Exemplare der seltenen Tiere finden und dokumentieren. Ihre Arbeit spiegelt dabei die Vorgehensweisen von Kryptozoologen wieder, die nach vermeintlich ausgestorbenen oder gar nach Tieren suchen, die bislang nur in Form von Sagen und Legenden oder von Augenzeugen, nicht aber wissenschaftlich beschrieben wurden.
Wie das Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Global Wildlife Conservation (GWC), des Southern Institute of Ecology in Vietnam und vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) aktuell im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-019-1027-7) berichten, handelt es sich beim Vietnam-Kantschil um eine rehähnliche, katzengroße Art, die auch als vietnamesischer Maushirsch bekannt ist. Dokumentiert wurden die Tiere von Wildtierkameras im südlichen Teil Vietnams. Die Foto- und Filmaufnahmen sind die ersten Aufnahmen lebender Exemplare dieser kleinen Huftiere überhaupt. Damit sind die Vietnam-Kantschile die erste wiederentdeckte Art der „Liste der 25 meistgesuchten verlorenen Spezies“ der GWC.
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Nachdem die Forscher zuvor Hinweisen aus der Bevölkerung auf Sichtungen der Tiere nachgegangen waren, hatten sie drei Wildtierkameras für einen Zeitraum von fünf Monaten in der Annamiten Bergregion im Süden Vietnams installiert, aus der Bewohner Sichtungen der Tiere gemeldet hatten. 2018 nahmen diese Kamerafallen insgesamt 275 Fotos der Art auf. Danach richteten die Wissenschaftler 29 Kameras in derselben Gegend ein und gelangte so im Verlauf der darauffolgenden fünf Monate zu weiteren 1.881 Fotos des Vietnam-Kantschils.
„Trotz der Hinweise aus der Bevölkerung konnten wir nicht sicher sein, was uns erwartet. Ich war also überrascht und überglücklich, als wir die Bilder der Kamerafallen auswerteten und Fotos von einem Kantschil mit silbernen Flanken sahen“, sagt An Nguyen, Associate Conservation Scientist bei der GWC und Leiter dieses Forschungsvorhabens. An Nguyen ist außerdem Feldkoordinator für und Doktorand am Leibniz-IZW. „Für eine sehr lange Zeit existierte diese Art nur noch in unserer Vorstellung. Diese Entdeckung, die bestätigt, dass diese Huftiere tatsächlich noch in der Wildnis leben, ist der erste Schritt um sicherzustellen, dass wir sie nicht wieder verlieren. Wir müssen jetzt schnell handeln, um ein baldiges Aussterben nach der Wiederentdeckung zu verhindern.“
Vietnam-Kantschile wurden 1910 anhand von vier Individuen aus Südvietnam beschrieben. 1990 konnte eine russische Expedition in Zentralvietnam ein weiteres Tier dieser Art aufspüren. Seitdem gab es keine bestätigten Sichtungen mehr. „Die Wissenschaft weiß daher nahezu nichts über die Biologie und Ökologie oder den Bedrohungsstatus dieser Art“, erläutert die Pressemitteilung des Leibniz-Instituts. Die GWC setzte daher das Vietnam-Kantschil auf ihre Liste der 25 meistgesuchten verlorenen Arten. Für die GWC genießt die Art eine hohe Priorität für den Säugetierschutz in Vietnam, ein Arbeitsschwerpunkt der Naturschutzorganisation.
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In weiteren Schritten wollen die Forscher nun bestimmen, wie groß und stabil die Population von Vietnam-Kantschilen in Südvietnam ist, um die genaue Verbreitung der Art und mögliche Ursachen ihrer Bedrohung besser zu verstehen. Im Rahmen der ersten umfassenden Untersuchung der Art beginnt das Team in Kürze mit Kamera-Fallenuntersuchungen in zwei weiteren Regionen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen werden sodann alle gesammelten Informationen nutzen, um einen Erhaltungsplan für die Art zu entwickeln.
Hintergrund
Das Vietnam-Kantschil ist eine von vielen faszinierenden Arten, die in den vielfältigen tropischen Wäldern Südostasiens leben. Von diesen wurden einige Arten erst in den letzten Jahrzehnten entdeckt. Dazu gehört auch die antilopenähnliche Saola (das asiatische „Einhorn“), die erst 1992 entdeckt wurde und die noch kein Biologe in freier Wildbahn gesehen hat.
Tiere in dieser Region der Welt sind zunehmend Opfer einer verheerenden illegalen Jagdmethode – der Verwendung von einfachen, günstigen, selbstgemachten Drahtschlingen. Dieser Wilderei fallen wahllos alle Tiere zum Opfer, die sich darin verfangen, unabhängig davon ob sie zu den Zielarten der Wilderer gehörten. Erst kürzlich zeigte ein Wissenschaftlerteam des Leibniz-IZW, dass Drahtschlingen eine größere und direktere Bedrohung der bodenlebenden Säugetiere und Vögel ist als die Degradierung des Regenwaldes durch forstliche Nutzung. Im Truong-Son-Ökosystem, zu dem auch die Region gehört, in der das Vietnam-Kantschil wiederentdeckt wurde, hat diese Wilderei zu „leeren“ Wäldern geführt, in denen zahlreiche Tierarten am Rand des Aussterbens stehen.
Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
Die Wiederentdeckung des Vietnam-Kantschils gebe zugleich große Hoffnung für den Erhalt der biologischen Vielfalt Vietnams, insbesondere bedrohter Arten, sagt Hoang Minh Duc, Leiter der Abteilung für Zoologie des Southern Institute of Ecology, einem Institut der Vietnamesischen Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Ho Chi Minh-Stadt. „Dies ermutigt uns, zusammen mit unseren internationalen Partnern Zeit und Mühe in die weitere Erforschung und den Erhalt des vietnamesischen Biodiversitätserbes zu investieren.“
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Quelle: Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
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