Vorgänger komplexer Moleküle auf Saturnmond Titan entdeckt

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Greenbelt (USA) – In der Atmosphäre des größten Staurnmondes Titan haben NASA-Wissenschaftler ein extrem seltenes Molekül nachgewiesen, das bislang in noch keiner anderen Atmosphäre entdeckt wurde. Es handelt sich um ein einfaches kohlenstoffbasiertes Molekül, das als Vorgänger komplexerer Moleküle diskutiert wird, aus denen Leben entstehen oder sich davon ernähren könnte.
Wie das Team um den Planetenwissenschaftler Conor Nixon vom Goddard Space Flight Center der NASA aktuell im „Astronomical Journal“ (DOI: 10.3847/1538-3881/abb679) berichtet, haben sie mit der Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in Chile das Zyklopropenylid (C3H2) in der Atmosphäre des Titan nachgewiesen.
Obwohl Wissenschaftler C3H2 bereits an einigen Orten im All detektiert haben, war dessen Nachweis in einer planetaren Atmosphäre dennoch selbst für die beteiligten Wissenschaftler eine große Überraschung. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass das Molekül sehr leicht mit anderen Molekülen reagiert und so schnell weitere Molekülarten bildet. Bislang wurde das Molekül ausschließlich in galaktischen Gas- und Staubwolken im interstellaren Medium nachgewiesen – an Orten also, die zu kalt und zu diffus sind, um die meisten chemische Prozesse zu ermöglichen. Im Gegensatz dazu bietet eine Atmosphäre wie die des Saturnmondes Titan viele Möglichketen für chemische Aktivität, was nicht zuletzt ein Grund für das große wissenschaftliche Interesse am Titan ist.

Copyright: NASA’s Goddard Space Flight Center/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory
Die jetzt nachgewiesene kleine Menge an C3H2-Moleekülen auf Titan entdeckten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in den oberen Schichten der dichten Atmosphäre des Mondes, wo es weniger andere Gase gibt, mit denen das Molekül für gewöhnlich interagieren kann.
Warum es auf Titan allerdings Zyklopropenylid überhaupt gibt, nicht aber in anderen bislang untersuchten Atmosphären anderer Himmelskörper, diese Frage stellt die Forschenden bislang noch vor ein Rätsel.
Hintergrund
Titan ist der größte der bislang 62 bekannten Saturnmonde. Mit seiner extrem dichten Atmosphäre und dem einzigen Flüssigkeitskreislauf jenseits der Erde, Meeren, Seen und Flüssen aus einem flüssigem Methan-Ethan-gemisch auf seiner Oberfläche, gilt Titan als der bislang erdähnlichste Himmelskörper im Sonnensystem. Seine Atmosphäre besteht, ähnlich wie die der Erde, hauptsächlich aus Stickstoff und einem kleinen Anteil an Methan. Wenn das Sonnenlicht Methan und Stickstoffmoleküle aufbricht, entsteht die Grundlage einer ganzen Reihe komplexer organisch-chemischer Prozesse, durch die Auf Titan vielleicht auch Leben entstanden sein oder noch entstehen könnte.
„Um herauszufinden, ob Titan lebensfreundlich ist, müssen wir die Bestandteile seiner Atmosphäre und Oberflächen genau kennen“, erläutert die Planetenwissenschaftlerin Rosaly Lopes vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA und führt dazu weiter aus: „Zudem ist es interessant zu sehen, welche Stoffe aus der Atmosphäre auf die Oberfläche gelangen, die Eiskruste des Mondes durchdringen und so in den darunter verborgenen Ozean gelangen könnten, von dem wir annehmen, dass er existiert und der lebensfreundliche Bedingungen aufweisen könnte.“
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Die Moleküle, die wir bereits von der Titan-Oberfläche kennen, gleichen jenen, die auch die Bausteine des irdischen Lebens bilden. Tatsächlich glich die Erdatmosphäre vor 3,8 bis 2,5 Milliarden Jahren mit Methan statt Sauerstoff der heutigen Titanatmosphäre. „Wir sehen im Titan eine Art Freiland-Labor, in dem wir vielleicht jene Prozesse beobachten können, die einst auf der Erde zur Entstehung des Lebens geführt haben“, erläutert die Goodard-Astrobiologin Melissa Trainer, die auch als Chefwissenschaftlerin dem Team zur Entwicklung der NASA-Mission „Dragonfly“ vorsteht (siehe folgendes Video). Mit dieser will die US-Raumfahrtbehörde, unter anderem auch mit einer Helikopterdrohne, die Oberfläche des Titan erkunden. Zwar werde „Dragonfly“ nach größeren Molekülen als C3H2 suchen, doch müsse man zuvor auch wissen, welche chemischen Prozesse in der Atmosphäre vor sich gehen, deren Produkte schließlich auf die Oberfläche des Titanmondes abregnen und zur Entstehung komplexer Moleküle beitragen können.
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Zyklopropenylid ist neben Benzol das das einzige sog. zyklische Molekül, das bislang in der Titan-Atmosphäre gefunden wurde. Moleküle wie C3H2 bilden das Grundgerüst der Nukleinbasen von RNA DNA und damit jener komplexen Struktur, die den genetischen Code des Lebens in sich tragen, kodieren und weitergeben. „Die zyklische Natur diese Moleküle ermöglicht vielleicht einen zusätzlichen chemischen Weg, um komplexere Moleküle entstehen zu lassen, die für Biologie wichtig sind“, schließt der Goddard-Astrobiologe Alexander Thelen.
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Quelle: NASA
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