Warum und wie wir an unseren Weltbildern festhalten

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Symbolbild. Copyright: geralt/Gemeinfrei

Berkeley (USA) – Warum halten wir Menschen selbst dann an bestimmten  Glaubensvorstellungen und Weltbildern fest, auch wenn wir mit überwältigenden Gegenargumenten und -beweisen konfrontiert werden? Dieser Frage haben sich US-Entwicklungspsychologen in einem aktuellen Experiment genähert und glauben eine Antwort gefunden zu haben.

Wie das Team um Louis Marti und Celeste Kidd von der Universityof California, Berkeley aktuell im Fachjournal „Open Mind“ (DOI: 10.1162/opmi_a_00017) berichtet, legen die Ergebnisse ihrer Experimente und deren Ergebnisanalyse nahe, dass die meisten Menschen sich eher von direkten (positivem wie negativen) Reaktionen und Rückmeldungen als von, harten Fakten, fundierten Argumenten oder wissenschaftlichen Daten von einer neuen Sache überzeugen lassen – ganz gleich, ob diese nun stimmt oder nicht. Gleiches gelte auch für bereits vorhandene Glaubensvorstellungen aller Art.

„Viele Menschen glauben, über die ein oder andere Sache selbst dann viel zu wissen, wenn sie es eigentlich gar nicht wirklich tun. Gerade in diesen Fällen ist es aber so, dass wir dazu tendieren, genau diese Sache dann gar nicht mehr so neugierig oder gar kritisch zu hinterfragen und selbst zu erforschen. Das führt dann wiederum dazu, dass wir auch gar nicht mehr bemerken, wie wenig wir tatsächlich darüber wissen“, erläutert Marti.

Diese kognitive Dynamik finde sich sowohl im täglichen wirklichen Leben wie auch virtuell, in den sozialen Medien, den TV-Nachrichten, kurz: in unseren Echo-Kammern, und könne vermutlich auch erklären, warum einige Leute vergleichsweise leicht auf Scharlatane hereinfallen, so die Forscher.

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„Wenn man eine verrückte Theorie dazu nutzt, mehrmals eine korrekte Vorhersage zu machen, so kann man in dieser Vorstellung stecken bleiben und nicht mehr offen dafür sein, mehr und vielleicht auch gegenteilige Informationen dazu zu suchen“, erläutert Kidd.

In ihrem Experiment untersuchten die Psychologen, was die Gewissheit von Menschen während des Lernens beeinflusst. Wie die Experimente zeigen, basiert die Überzeugung der Teilnehmer eher auf ihren jüngsten Erfahrungen und nicht so sehr auf (zuvor) langfristig angesammeltem Wissen.

Hierzu wurden 500 erwachsenen Probanden gebeten, auf einem Computerbildschirm unterschiedliche farbige Formen zu betrachten. Hierbei sollten sie dann schätzen, welcher der gezeigten farbigen Formen wohl am ehesten einem sogenannten „Daxxy“ entspricht. Bei diesem „Daxxy“ handelte es sich um eine freie Erfindung der Forscher. Da die Teilnehmer selbst keinerlei Informationen darüber hatten, was die Eigenschaften eines „Daxxys“ überhaupt sind, mussten sie blind raten, um dann nach jeder Vermutung nochmals erklären, wie sicher sie sich bei ihrer Antwort fühlen.

Das Ergebnis zeigte, dass die Teilnehmer ihre eigene Sicherheit fortwährend viel stärker in Abhängigkeit davon einschätzten, ob sie in den vorigen vier bis fünf Antworten das „Daxxy“ richtig geschätzt hatten, statt jene Informationen zu nutzten, die sie während der gesamten Testreihe hätten sammeln können.

„Interessanterweise konnten wir beobachten, dass Probanden mit allen ersten 19 Vermutungen falsch liegen konnten, sie sich aber danach nach gerade einmal mindestens fünf richtigen Einschätzungen sehr viel sicherer in ihrer Antwort fühlten“, berichtet Marti. „Das lag aber nicht daran, dass die Probanden nicht aufgepasst hätten. Tatsächlich haben sie nach und nach erfahren, was ein „Daxxy“ war, aber sie haben einfach das meiste dieser erlernten Informationen nicht dazu genutzt, um damit auch ihre Sicherheit zu stützen.“

Laut den Wissenschaftlern hätte ein idealer Lerner seine Sicherheit von jenen Beobachtungen abhängig gemacht, die er nach und nach gemacht hat und dies mit dem Feedback kombiniert. „Wenn es das Ziel ist, die Wahrheit über etwas herauszufinden, so ist jene Strategie, die primär das jüngste Feedback nutzt, statt sich auf jene Daten zu stützen, die man im Laufe der Zeit sammeln konnte, keine gute Taktik.“

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