‚Washington Post‘ widerlegt 5 Mythen über Verschwörungstheorien

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Symbolbild: Verschwörungstheorien
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Washington (USA) – Obwohl der Begriff „Verschwörungstheorie“ ganz sachlich genau das benennt, was damit gemeint ist – eben eine Theorie rund um eine mögliche Verschwörung und mit „Verschwörungstheoretiker“ ebenso präzise eben jene Personen, von Laien bis hin zu Wissenschaftlern, beschrieben werden, die sich mit eben diesen Verschwörungs-Theorien auseinandersetzen, werden beide Begriffe gerade im aktuellen Diskurs rund um sog. Fake-News und „alternative Wahrheiten“ zusehends abwertend konnotiert verwendet. In einer aktuellen Kolumne der „Washington Post“ korrigiert der Psychologe Bob Brotherton fünf der gängigsten Mythen rund um Verschwörungstheorien.

Bob Brotherton selbst (s. Abb. l.) ist Psychologe am Barnard College und Autor des Sachbuches „Suspicious Minds – Why We Believe Conspiracy Theories“ und erklärt in seinem Beitrag für die „Washington Post“ vorab ein weiteres Mal, dass Verschwörungstheorien keine Erscheinung der Neuzeit sind und eigentlich schon immer existierten. (Anm. GreWi: Der Grund hierfür ist einfach: Weil es vermutlich auch schon immer Menschen gab, die sich tatsächlich gegen andere in der einen oder anderen Form und mit mehr oder weniger schwerwiegenden Konsequenzen eben „verschworen“ haben.)

An Platz 1 der Top 5 wiederlegt Brotherton das gerne gehegte Stereotyp von „Verschwörungstheoretikern als ausschließlich durchgeknallten Zeitgenossen“.

„Nehmen Sie irgendeinen jüngsten Beitrag der Mainstream-Nachrichten über Verschwörungstheorien und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie darin auch etwas über Alu-Hüte, Echsenwesen und Flach-Erdler finden – ein Hinweis also, dass man sich im Umfeld von Verrückten befindet.“ Hierzu nennt der Psychologe auch einige Beispiele dieser gewollt genutzten Stereotypen der englischsprachigen Medien und Online-Portale, wie sie aber ebenso in deutschen Medien allgegenwärtig sind oder gerade dann genutzt werden, wenn selbst Wissenschaftler von der Lehrmeinung abweichende bis exotische Positionen vertreten.

Auf diese Weise werde versucht, Verschwörungstheoretiker als eine „Handvoll Spinner abzutun, die auch wirklich jede noch so absurde Idee glauben“, beobachtet Brotherton und korrigiert dann aber: „Tatsächlich ist konspiratives Denken – also die Tendenz hinter allem oder zumindest vielem eine Verschwörung zu vermuten – aber grundsätzlich sehr viel weiter und allgemein verbreitet, als der Glaube an ganz konkrete Verschwörungstheorien. Diese Feststellung belegt der Autor dann mit Zahlen: In einer Umfrage 2013 erklärten 4 Prozent der US-Wähler zu glauben, dass Echsenwesen die Politik kontrollieren. 2018 zeigten sich 7 Prozent offen für die Vorstellung, dass die Erde keine Kugel sei. Hingegen waren mit rund 50 Prozent der befragten deutlich mehr Menschen zwischen 2006 und 2011 davon überzeugt, dass etwa der Irak-Krieg für US-Ölfirmen geführt wurde oder, dass es sich bei den 9/11-Anschlägen um einen sog. Inside-Job von US-Regierungsinsidern gehandelt habe. Ähnliche Verhältnisse zeigten sich jüngst denn auch in Umfragen in Großbritannien. „Da die Umfragen zudem nur nach einer kleinen Auswahl populärer Verschwörungstheorien fragten, kann man also durchaus davon ausgehen, dass die meisten von uns der ein oder anderen Verschwörungstheorie durchaus offen bis überzeugt gegenüberstehen.“

Auf Platz 2 der falschen Mythen rund um Verschwörungstheorien landet bei Brotherton die ebenfalls in den Medien geradezu omnipräsente Behauptung, Verschwörungstheorien seien heute verbreiteter denn je.

Tatsächlich gebe es für diese Behauptung keinerlei gute Beweise. Stattdessen zeige sogar eine der bislang sorgfältigsten Studien zum Thema auf der Grundlage von mehr als 100.000 Leserzuschriften an die US-Zeitungen „The New York Times“ und „The Chicago Tribune“ von 1890 bis 2010, dass es „von jeher eher ein stetes Hintergrundrauschen an Verschwörungstheorien gibt, statt einer stetig ansteigenden Kakophonie.“

Tatsächlich spiegele sich dieses Studienergebnis in den historischen Aufzeichnungen: „Verschwörungstheorien blühen nicht plötzlich im 21. Oder 20. Jahrhundert auf. Sie waren immer um uns und die Menschen trugen und tragen mit der jeweils zeitgenössischen Technologie dazu bei, sie zu verbreiten.“

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An Platz 3 setzt Brotherton die Behauptung, Verschwörungstheorien existierten nur in den Köpfen der Menschen und zitiert auch hier Beispiele der englischsprachigen jüngsten Presse und Medien, die Verschwörungstheorien gerne und wohlfeil als Ergebnis psychologischer Vorgänge und Zustände erklären wollen.

„Zwar können psychologische Untersuchungen dabei helfen zu verstehen, warum die einen an Verschwörungstheorien glauben und andere nicht. Verschwörungstheorien jedoch als unbewusste Voreingenommenheiten oder kognitive Fehler abzutun, übersieht die Tatsache, dass vielen Verschwörungstheorien oft ein Fünkchen Wahrheit innewohnt“, so Brotherton. „Regierungen und Organisationen tun nun einmal Dinge im Geheimen. Geheimdienste planen tatsächlich Mordanschläge und Staatsstreiche, spionieren Menschen aus und versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.“ Selbst wer also davon überzeugt ist, dass die US-Regierung das HIV-Virus nicht als Biowaffe gegen unliebsame Bürger entwickelt hat, wird aber sicherlich eingestehen, dass Regierungen und Regierungswissenschaftler bereits unethische Experimente an Bevölkerungsminderheiten durchgeführt haben. Menschen, die daran glauben sind nicht verrückt. Das ist Geschichte.“

Julius Cäsar: Zweifelsohne Opfer einer politischen Verschwörung und das schon vor XX Jahren, hier auf einem Gemälde von Vincenzo Camuccini.
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Tatsächlich habe eine Studie des Psychologen Mike Wood gezeigt, dass Menschen, die nicht an absurde Verschwörungstheorien glauben, ebenfalls dazu tendieren wirkliche und tatsächlich geheim gehaltene – also verschworene – Experimente und Vorgänge (wie etwa bestochene Regierungen, Experimente zur Gedankenkontrolle und Versuche der Einflussnahme durch Regierungen auf die Medien) nicht glaubten. Für Brotherton bedeutet das aber natürlich nicht, dass deshalb alle Verschwörungstheorien akzeptiert werden sollten „Zugleich sollte aber konspiratives Gedankengut auch nicht grundsätzlich als psychologischer Fehler hingestellt werden.“

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Zum falschen Mythos Nummer 4 erklärt Brotherton die ebenfalls nicht nur in englisch- und deutschsprachigen Medien gerade in jüngster Zeit auftauchende, sondern auch von Aufklärern und Politikern gerne verwendete Behauptung, Verschwörungstheorien seien eine existenzielle Bedrohung für unsere Gesellschaft und damit der Demokratie.

Als Beispiel benennt Brotherton den vornehmlich in englischsprachigen Medien im vergangenen Sommer kursierenden Hype um die sog. „QAnon“-Gruppe. Hierzu schreibt Brotherton: Untersuchungen haben gezeigt, dass 4 von 10 Personen entweder noch nie etwas von QAnon gehört hatten oder selbst zu wenig davon wussten, um sich dazu eine Meinung bilden zu wollen. Selbst unter jenen, die mit dem Begriff etwas anfangen konnten, war die Mehrheit vom Wahrheitsgehalt dieser Theorie um geheime Regierungsinsider nicht überzeugt. Weitere Analysen von Beiträgen in einschlägigen Diskussionsforen zum Thema zeigten, dass die Mehrheit der hier aktiven die Diskussionen eher als Entertainment und aus Neugier heraus verfolgten.

„Natürlich können Ideen aber auch Konsequenzen haben“, schränkt der Autor zugleich ein und nennt als Beispiel den Bombenattentäter von Oklahoma City, Timothy McVeigh, der sich selbst als Teil einer Widerstandsgruppe gegen eine Verschwörung innerhalb der US-Regierung sah. (…) Doch diese Menschen sind Ausnahmen und nicht die Regel. Jegliche Verschwörungstheorien ohne weitere Beweise dafür zu einer existenziellen Bedrohung heraufzubeschwören ist ironischerweise die gleiche Geistesgewohnheit und -haltung wie jene, aus der heraus Verschwörungstheorien selbst entstehen.“

Abschließen wiederlegt Brotherton auf Platz 5 die Behauptung, Fakten seien gegenüber Verschwörungstheoretikern machtlos.

Auch diese Behauptung findet man immer wieder, wenn man populistische Statements zu Verschwörungstheorien liest. Als Grundlage hierfür macht der Autor eine Studie von 2010 aus, in der den Probanden zunächst falsche Aussagen vorgelegt wurden, die dann in weiteren Informationen korrigiert wurden. Tatsächlich sei die Korrektur in den meisten Fällen aber ineffektiv gewesen und habe sogar die vorab vorgelegten Falschinformationen in den Köpfen der Probanden nur bestärkt. „Dieser sog. Backfire-Effekt hat einen eigenen Status als Mythos dafür erlangt, warum es angeblich so schwierig – oder gar kontraproduktiv – sei, die Meinung von überzeugten Verschwörungstheoretikern mit Logik und überprüfbaren Fakten beeinflussen oder gar ändern zu wollen. Auch er selbst habe in seinem eigenen, 2015 erschienenen Buch „Suspicious Minds“ diesen Mythos – offenbar fälschlicherweise – gepflegt und korrigiert sich nun selbst: „Jüngste Studie nstellen den Backfire-Effekt in Frage.“ So habe eine Studienreihe an mehr als 10.000 Probanden erst 2017 angesichts von 52 unterschiedlichen Behauptungen und deren Korrekturen gezeigt, dass es offenbar gar keinen derartigen Effekt gibt. Auch andere Studien würden mittlerweile durchaus zeigen, dass man durch das Prüfen von Fakten und Hinweise auf logische Ungereimtheiten den Glauben an Verschwörungstheorien durchaus verringern könne. „Zwar wird das Korrigieren von Missverständnissen nicht jeden davon überzeugen, von seiner Verschwörungstheorie abzulassen. Doch scheint es oft nicht schlechter sondern eher besser zu sein, als es gar nicht erst zu versuchen.“

– Den vollständigen und wesentlich ausführlicheren Beitrag von Bob Brotherton in der „Washington Post“ finden Sie im englischsprachigen Original HIER

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