Webb-Weltraumteleskop liefert detailreichste Analyse der Atmosphäre eines Exoplaneten
Santa Cruz (USA) – Das neuen Infrarot-Weltraumteleskop „James Webb“ liefert die bislang detaillierteste Analyse der Atmosphäre eines fernen Exoplaneten. Die Infrarotspektren offenbaren die chemische Zusammensetzung sowie erste Anzeichen von Photochemie und Informationen über die Wolkendecke und Entstehung des rund 700 Lichtjahre entfernten Planeten WASP-39b.
Wie das internationale Team um Natalia Batalha von der University of California in Santa Cruz aktuell in mehreren Artikeln im Fachjournal „Nature“ und via ArXiv.org (DOI: 10.48550/arXiv.2211.10489 / DOI: 10.48550/arXiv.2211.10488 / DOI: 10.48550/arXiv.2211.10487 / DOI: 10.48550/arXiv.2211.10493 / DOI: 10.48550/arXiv.2211.10490) berichtet, handelt es sich bei dem bereits 2011 entdeckten „WASP-39b“ um einen sogenannten „heißen Saturn“, also um einen großen Gasplaneten, der seinen Stern in nur 7 Millionen Kilometern Entfernung einmal alle 4 Tage umkreist. Während der Planet nur das 0,28-Fache der Masse unseres Jupiters besitzt, beträgt sein Radius das 1,27-Fache des Jupiters. Aufgrund der geringen Distanz zu seinem Stern herrschen auf dem Planeten Temperaturen von rund 900 Grad Celsius – viel zu heiß also, als dass es dort Leben, wie wir es von der Erde kennen, geben könnte.
Für Batalha, Kollegen und Kolleginnen stellen die neuen Daten und Analysen einen Wendepunkt in der Astronomie dar und gelten als Testlauf für zukünftige Analyse potenziell lebensfreundlicher Atmosphären.
Während mehrerer Transits, also Passagen des Planeten vor der „Sonnenscheibe“ seines Sterns im vergangenen Juli gelang den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die spektrale Analyse der Zusammensetzung der Atmosphäre des Planeten, durch den das Licht seines Sterns beobachtet wurde.
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Aus diesen Beobachtungen und Messungen gelang den Forschenden erstmals der Nachweis von Schwefeldioxid in einer Exoplanetenatmosphäre überhaupt. Zugleich stellt die Anwesenheit des Gases auch den ersten Hinweis auf photochemische Vorgänge in der Atmosphäre eines Exoplaneten dar, denn ähnlich wie Ozon in der Erdatmosphäre, bilden sich Schwefeldioxidmoleküle, wenn die Außenbereiche der Atmosphäre mit hochenergetischen Photonen des Sternes wechselwirken. Die Nähe zu seinem Stern (der Planet umkreist seinen Stern „WASP-39“ in einer Distanz, die etwa einem Achtel der Entfernung von Merkur zur Sonne entspricht, mache „WASP-39b“ zu einem idealen Labor zur Erforschung dieser Art von Reaktionen, so die Forschenden.
Aus anderen Daten können die Astronomen und Astronominnen sogar Rückschlüsse auf die Entstehung des Planeten ziehen. Besonders das Verhältnis von Kohlenstoff zu Sauerstoff, Schwefel zu Wasserstoff und jenes zwischen Kalium zu Sauerstoff deuten demnach auf eine Entstehungsgeschichte hin, bei der kleinere Frühphasen von Planeten (sog. Planetesimale) miteinander kollidiert sind und sich letztlich zu dem heutigen, recht großen Planeten zusammengefunden haben. „Insbesondere das Kohlenstoff-Sauerstoff-Verhältnis, konkret dass Sauerstoff viel häufiger vorkommt als Kohlenstoff, deute darauf hin, dass WASP-39b viel weiter entfernt von seinem Stern und erst später auf seine jetzige, viel kleinere Umlaufbahn umgezogen ist“, erläutert die Pressemitteilung des an den Analysen beteiligten Max-Planck-Instituts für Astronomie.
Der Vergleich von Beobachtungen und Modellen gebe außerdem Aufschluss über die Wolken des Planeten: „Es handelt sich um eine aufgelockerte Ansammlung von Wolken – die freilich bei den auf WASP-39b herrschenden hohen Temperaturen nicht aus Wasser, sondern aus Substanzen wie Sulfiden und Silikaten – und nicht um eine geschlossene Wolkendecke.“
Die nun beschriebenen Beobachtungen gelten damit zum einen als Testlauf für die Beobachtungstechniken, die bei dieser Art der Suche nach Leben auf anderen Planeten genutzt werden sollen. „Zudem liefern sie aber auch wichtige Informationen für ein umfassenderes Verständnis der Atmosphären von Exoplaneten, und ein solches deutlich besseres Verständnis wird dringend notwendig sein, um bei der Suche nach Leben zwischen der Chemie von Exoplaneten mit und ohne Beteiligung lebender Organismen unterscheiden zu können“, so die MPIA-Pressemitteilung abschließend.
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Recherchequellen: ESA, NASA, MPIA
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