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Weitere Studie legt nahe, dass die Naturgesetze im Universum nicht überall gleich sind

Künstlerische Darstellung von J1120+0641, dem entferntesten bekannten Quasars im Universum (Ilu.). Copyright: ESO/M. Kornmesser
Künstlerische Darstellung von J1120+0641, dem entferntesten bekannten Quasars im Universum (Ilu.).
Copyright: ESO/M. Kornmesser

Sydney (Australien) – Eine Untersuchung des Lichts eines der entfernten Quasare im Universum offenbart dortige Schwankungen der elektromagnetischen Kraft. Diese, zu den vier fundamentalen Kräfte der Natur zählende Kraft, sollte aber eigentlich – so bislang angenommen – überall im Universum konstant sein. Bestätigen sich die Beobachtungen wäre dies ein weiterer Hinweis auf eine bevorzugte Ausrichtung unseres Universums und würde damit die Vorstellung von einem isotropen Universum mit überall in gleicher Weise geltenden Naturgesetzen widersprechen. „In diesem Fall stünden die Türen für einige sehr aufregende, neue Ideen in der Physik weit offen“, so die Wissenschaftler.

Wie das Team um Michael R. Wilczynska und Professor John Webb von der University of New South Wales aktuell im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.aay9672) berichtet, scheint die „universelle Konstante“ des Elektromagnetismus im äußeren Rand des Kosmos nicht nur geradezu unbeständig zu sein, sie tritt offenbar auch verstärkt in einer Richtung auf.

Die Beobachtungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern basieren auf vier neuen Messungen von Licht, das von dem 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Quasar mit der Bezeichnung „J1120+0641“ ausgesandt wird, und die nun unter anderem auch frühere Studien bestätigen, in denen winzige Variationen der sogenannten Feinstrukturkonstante festgestellt wurden.

Hintergrund
Die Feinstrukturkonstante ist ein Maß für den Elektromagnetismus – neben Schwerkraft, schwache Kernkraft und starke Kernkraft eine der vier fundamentalen Kräfte in der Natur. „Die Feinstrukturkonstante ist die Größe, die Physiker als Maß für die Stärke der elektromagnetischen Kraft verwenden“, so Webb und führt weiter aus: „Es ist eine dimensionslose Zahl, bei der es um die Lichtgeschwindigkeit, die sogenannte Plancksche Konstante und die Elektronenladung geht, es ist das Verhältnis dieser Dinge zueinander und es ist die Zahl, mit der Physiker die Stärke der elektromagnetischen Kraft messen.“

Die elektromagnetische Kraft lässt Elektronen in jedem Atom des Universums um einen Kern kreisen – ohne sie würde die gesamte Materie auseinanderfliegen. Bis vor kurzem galt es als zeitlich und räumlich unveränderliche Kraft. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Professor Webb jedoch Anomalien in der Feinstrukturkonstante festgestellt, bei denen die in einer bestimmten Richtung des Universums gemessene elektromagnetische Kraft etwas anders zu sein scheint.

„Wir haben Hinweise dafür gefunden, dass diese Zahl der Feinstrukturkonstanten in bestimmten Regionen des Universums unterschiedlich ist. Nicht nur als Funktion der Zeit, sondern auch als Richtung im Universum. Wenn das stimmt, so wäre das wirklich seltsam. Aber genau dafür haben wir Hinweise gefunden.“

Als Webb zum ersten Mal auf diese frühen Anzeichen von etwas schwächeren und stärkeren Messungen der elektromagnetischen Kraft stieß, dachte er noch, es könnte ein Fehler der Ausrüstung, seiner Berechnungen oder ein sonstiger Fehler sein, der zu den ungewöhnlichen Messwerten geführt hatte. Bei genauerer Betrachtung einiger der am weitesten entfernten Quasare – also aktive Galaxiekerne (massereiche Schwarze Löcher), die außergewöhnlich hohe Energie emittieren – an den Rändern des Universums wurden diese Anomalien erstmals mit den leistungsstärksten Teleskopen der Welt beobachtet: „Die entferntesten Quasare, die wir kennen, sind ungefähr 12 bis 13 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt“, sagt Professor Webb. „Wenn Sie also das Licht von entfernten Quasaren im Detail untersuchen können, untersuchen Sie die Eigenschaften des Universums, als es noch in den Kinderschuhen steckte, nur eine Milliarde Jahre alt. Das Universum war damals sehr, sehr unterschiedlich. Keine Galaxien existierten, die frühen Sterne hatten sich gebildet, aber es gab sicherlich nicht die gleiche Population von Sternen, die wir heute sehen. Und es gab keine Planeten.“

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Einen solchen Quasar haben Webb und Kollegen in ihrer aktuellen Studie untersucht. Hierzu führten die Wissenschaftler vier Messungen der Feinkonstante entlang der Sichtlinie zum untersuchten Quasar durch. Individuell lieferten die vier Messungen keine schlüssige Antwort darauf, ob es wahrnehmbare Änderungen der elektromagnetischen Kraft gab oder nicht. In Kombination mit vielen anderen Messungen zwischen uns und entfernten Quasaren, die zuvor von anderen Wissenschaftlern unabhängig durchgeführt worden waren, wurden die Unterschiede in der Feinstrukturkonstante aber immer offenkundiger.

„Unsere Beobachtungen scheinen die Idee zu unterstützen, dass es im Universum eine Direktionalität geben könnte, was in der Tat sehr seltsam ist“, sagt Professor Webb. „Das Universum ist also in seinen physikalischen Gesetzen möglicherweise nicht isotrop – also statistisch gesehen nicht derart in alle Richtungen gleich, wie wir dies bislang angenommen haben. Tatsächlich könnte es eine bevorzugte Aus-Richtung im Universum geben, entlang derer sich die Gesetze der Physik ändern. Mit anderen Worten, das Universum hätte in gewissem Sinne eine Dipolstruktur.“

„Wir können in einer bestimmten Richtung 12 Milliarden Lichtjahre zurückblicken und den Elektromagnetismus messen, als das Universum noch sehr jung war“, führt Webb weiter aus. „Wenn man alle Daten zusammenfasst, scheint der Elektromagnetismus allmählich zuzunehmen, je weiter wir schauen, während er in die entgegengesetzte Richtung allmählich abnimmt. In anderen Richtungen im Kosmos bleibt die Feinstrukturkonstante hingegen genau die angenommene Konstante.“

Anders ausgedrückt: In einer willkürlich zufälligen Ausbreitung von Galaxien, Quasaren, Schwarzen Löchern, Sternen, Gaswolken und Planeten – mit Leben, das in mindestens einer winzigen Nische gedeiht – scheint das Universum plötzlich das Äquivalent von dem zu haben, was wir auf der Erde als Konzept von Norden und ein Süden verstehen.

Trotz der Beobachtungen bleibt Webb aber weiterhin auch offen für die Idee, dass diese Messungen, die in verschiedenen Stadien mit verschiedenen Technologien und von verschiedenen Orten auf der Erde durchgeführt wurden, tatsächlich nur ein gewaltiger Zufall sein könnten: „Dies ist etwas, das zum einen zwar sehr ernst genommen wird, dass aber zurecht auch mit sehr viel Skepsis beobachtet wird. Selbst ich bin immer wieder skeptisch und das, obwohl ich mit meinen Schülern die erste Arbeit dazu vorgelegt habe. Aber es ist etwas, das man untersuchen muss, denn es besteht die Möglichkeit, dass wir in einem wirklich seltsamen Universum leben.“

Neben dem Argument, dass diese Ergebnisse mehr als nur Zufall sind, machte ein anderes Wissenschaftler-Team, völlig unabhängig von Webb und Kollegen und ohne deren Kenntnis, Beobachtungen über Röntgenstrahlen, die ebenfalls mit der Vorstellung übereinzustimmen scheinen, dass das Universum eine bestimmte Ausrichtung hat (…GreWi berichtete).

Die aktuelle Studie der Universitäten Bonn und Harvard enthüllt regionale Unterschiede in der Expansion des Universums: Die violetten Bereiche dehnen sich langsamer aus als erwartet, die gelben schneller. Bei Isotropie wäre das Bild einfarbig rot. Copyright/Quelle: Konstantinos Nikolaos Migkas et al., Uni Bonn / Astronomy & Astrophysics
Die aktuelle Studie der Universitäten Bonn und Harvard enthüllt regionale Unterschiede in der Expansion des Universums: Die violetten Bereiche dehnen sich langsamer aus als erwartet, die gelben schneller. Bei Isotropie wäre das Bild einfarbig rot.
Copyright/Quelle: Konstantinos Nikolaos Migkas et al., Uni Bonn / Astronomy & Astrophysics

„Wir wussten nichts von dieser Arbeit, bis sie publiziert wurde. Die Kollegen untersuchten nicht die Gesetze der Physik – sie testeten die Eigenschaften, die Röntgenstrahlen von Galaxien und Galaxienhaufen aufweisen und die kosmologischen Entfernungen von der Erde. Dabei fanden sie heraus, dass die Eigenschaften des Universums in diesem Sinne nicht sind isotrop sind und es eine bevorzugte Richtung zu geben scheint. Und siehe da, ihre Richtung stimmt mit unserer überein.“

Weiterhin tritt aber auch Webb für noch strengere Tests seiner Ideen darüber ein, dass Elektromagnetismus in bestimmten Bereichen des Universums schwanken kann, und diesen so eine bevorzugte Ausrichtung verleiht. Sollten seine Ergebnisse aber weiterhin bestätigt werden, können sie möglicherweise erklären, warum unser Universum so ist, wie es ist, und warum darin überhaupt Leben existiert.

„Lange Zeit wurde angenommen, dass die Naturgesetze perfekt aufeinander abgestimmt sind, und nur so die Bedingungen für das Gedeihen des Lebens gewährleisten. Die Stärke der elektromagnetischen Kraft ist eine dieser Größen. Wenn sie nur wenige Prozent vom jenem Wert abweicht, den wir auf der Erde messen, wäre die chemische Entwicklung des Universums völlig anders und das Leben könnte niemals in Gang gekommen sein. Dies wirft eine spannende Frage auf: Gilt diese Situation, in der grundlegende physikalische Größen wie die Feinstrukturkonstante „genau richtig“ sind, um unsere Existenz zu fördern auch im gesamten restlichen Universum?“

„Wenn es im Universum eine Direktionalität gibt“, so argumentiert Professor Webb weiter, „und wenn gezeigt werden kann, dass sich der Elektromagnetismus in bestimmten Regionen des Kosmos geringfügig unterscheidet, müssen die grundlegendsten Konzepte, die einem Großteil der modernen Physik zugrunde liegen, überarbeitet werden. Unser Standardmodell der Kosmologie basiert auf der Vorstellung von einem isotropen Universum, das statistisch in alle Richtungen gleich ist. Dieses Standardmodell selbst baut auf Einsteins Gravitationstheorie auf, die selbst explizit die Konstanz der Naturgesetze voraussetzt. Wenn sich solche Grundprinzipien nur als gute Annäherungen herausstellen, dann stehen die Türen für einige sehr aufregende, neue Ideen in der Physik weit offen.“

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Quelle: University of New South Wales

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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