Wenn Jupiter Saturn im Wassermann trifft: Eine kleine Geschichte der Großen Konjunktionen

Jupiter und Saturn auf dem Weg zur Großen Konjunktion, fotografiert am 17. Juni 2020. Copyright: Dr. Sebastian Voltmer, www.weltraum.com (YouTube lspacemovie)
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Jupiter und Saturn auf dem Weg zur Großen Konjunktion, fotografiert am 17. Juni 2020. Copyright: Dr. Sebastian Voltmer, www.weltraum.com (YouTube lspacemovie)

Jupiter und Saturn auf dem Weg zur Großen Konjunktion, fotografiert am 17. Juni 2020.
Copyright: Dr. Sebastian Voltmer, www.weltraum.com (YouTube @spacemovie)

Am 21. Dezember rücken Jupiter und Saturn am Himmel bis auf sechs Bogenminuten zusammen. Das alle zwanzig Jahre erfolgende Treffen der beiden Planeten, die sogenannte Große Konjunktion, beschäftigte seit dem Mittelalter Astronomen, Astrologen, Theologen und wissenschaftliche Schriftsteller.

– Bei diesem Artikel handelt es sich um einen GreWi-Gastbeitrag von Ralf Bülow

Es spricht sich herum: Derzeit kommen sich die Gasplaneten Jupiter und Saturn, von der Erde aus gesehen, immer näher, eine Folge der Tatsache, dass Jupiter den weiter außen kreisenden Saturn auf der Innenbahn überholt. Drei Tage vor Heiligabend passiert er ihn mit einem optischen Abstand von sechs Bogenminuten. Das entspricht einem Fünftel des Monddurchmessers, und wenn man nicht genau hinschaut, scheinen die beiden Planeten am Himmel zu verschmelzen.

Die periodische Annäherung von Jupiter und Saturn – sie erfolgt alle zwanzig Jahre an wechselnden Stellen des Tierkreises – ist seit Beginn der Astronomie im alten Babylon bekannt. Seit dem Mittelalter wird sie als Große Konjunktion von Astrologen analysiert. Im späten achten oder frühen neunten Jahrhundert erwähnte der irakische Sterndeuter Māschā’allāh ibn Atharī die „größere Konjuktion“ von Jupiter und Saturn; neben dieser kannte er noch zwei kleinere, an denen der Mars beteiligt war. Im neunten Jahrhundert wirkte auch der persische Himmelsforscher Abu Ma’shar, in Europa als Albumasar bekannt. Er arbeitete die astronomischen Details der Großen Konjunktionen aus; seine Schrift „De magnis coniunctionibus“ wurde im zwölften Jahrhundert ins Lateinische übersetzt und 1488 in Augsburg gedruckt.

1497 verband der spanische Gelehrte und Politiker Isaak ben Juda Abrabanel das Meeting von Jupiter und Saturn im Jahr 1396 v. Chr. mit der Geburt Moses`. Für eine künftige Große Konjunktion im Sternzeichen der Fische erwartete er das Kommen des jüdischen Messias. Europaweit diskutiert wurde die Konjunktion vom Februar 1524. Zu Jupiter und Saturn gesellten sich damals Merkur, Venus und Mars, und da sich die Planeten gleichfalls in den Fischen trafen, wurde eine Sintflut befürchtet. Die blieb zum Glück aus. Für den 15. Juli 1525 soll der schwäbische Hofastrologe des Kurfürsten von Brandenburg die nächste Flut prophezeit haben, weshalb dieser auf den Berliner Kreuzberg floh. Das ist aber wohl nur eine urbane Legende

Eine Abfolge von Großen Konjunktionen, berechnet von Johannes Keplers in dessen Werk „De stella nova...“ Copyright: Gemeinfrei

Eine Abfolge von Großen Konjunktionen, berechnet von Johannes Keplers in dessen Werk „De stella nova…“
Copyright: Gemeinfrei

Der berühmte deutsche Astronom Johannes Kepler scheint der Erste gewesen zu sein, der das Himmelsphänomen mit dem Stern von Bethlehem verknüpfte. Im Dezember 1603 beobachtete er frühmorgens die Jupiter-Saturn-Begegnung im Sternbild Schütze und im folgenden Oktober einen völlig neuen Stern, der zwischen den beiden Gasplaneten stand. Das war eine Supernova, die bislang letzte in unserer Milchstraße. Kepler wusste, dass sich 7 v. Chr. eine Große Konjunktion in den Fischen ereignet hatte, und als er zufällig in einem Buch las, dass Jesus Christus einige Jahre vor der Zeitenwende geboren wurde, stand für ihn fest: Das Planetentreffen von 7 v. Chr. musste wenig später zum Weihnachtsstern führen, den Kepler auch für eine Art Supernova hielt.

Der deutsch-dänische Theologe, Historiker und Bischof Friedrich Münter ging 1821 einen Schritt weiter. Der astronomischen Forschergemeinde stellte er die Idee vor, dass der Stern von Bethlehem mit der Konjunktion von 7 v. Chr. gleichzusetzen wäre. Die Idee wurde gut aufgenommen, und Münter breitete sie 1827 im Buch „Der Stern der Weisen. Untersuchungen über das Geburtsjahr Christ“ weiter aus. Der Berliner Astronom Ludwig Ideler hatte ein Jahr zuvor im 2. Band vom „Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie“ einen ähnlichen Gedanken formuliert. Münters Buch lässt sich schnell auf Google Books oder der Website archive.org finden und herunterladen; da es nicht in Fraktur gedruckt wurde, ist es heutigen Lesern leicht zugänglich.

Zwei Sterndeuter in persischer Tracht vor Jesus und Maria: Relief eines römischen Kindersarkophags aus dem 2. Viertel des 4. Jahrhunderts. Bode-Museum Berlin. Copyright: Ralf Bülow

Zwei Sterndeuter in persischer Tracht vor Jesus und Maria: Relief eines römischen Kindersarkophags aus dem 2. Viertel des 4. Jahrhunderts. Bode-Museum Berlin.
Copyright: Ralf Bülow

Seit Friedrich Münter und Ludwig Ideler ist die Jupiter-Saturn-Begegnung, die sich im Jahr 7 v. Chr. von Mai bis Dezember erstreckte, die Königin der Konjunktionen. Zunächst war aber das allgemeine Interesse gering, und 1913 verdammte der Theologe und spätere Urwaldarzt Albert Schweitzer die biblische Astronomie in Bausch und Bogen. In der 2. Auflage der „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung“ heißt es: „Not tut, daß dem modern gefärbten Aber- und Wunderglauben die gelehrte Maske heruntergerissen und er als das hingestellt werde, was er ist. Es soll nicht erlaubt sein, daß man mit derartigen Gedanken auch nur spiele.“ Gerettet wurde die Große Konjunktion durch die Planetarien. In den 1960er Jahren zeigte das in Wien ein Programm, das das Treffen 7 v. Chr. als den Stern von Bethlehem präsentierte. Die Basis bildete die babylonische Sternkunde.  Die wissenschaftliche Vorarbeit und der Begleittext stammten von Konradin Ferrari d’Occhieppo, Ordinarius für theoretische Astronomie an der Wiener Universität. 1969 veröffentlichte er wie Friedrich Münter ein Buch mit dem Titel „Der Stern der Weisen“. Seine Planetariumsshow verbreitete sich auch in Deutschland, und die Jupiter-Saturn-Theorie galt jahrzehntelang als die Erklärung des Weihnachtssterns.

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Allerdings wurde Ferrari d’Ochieppos naive Sicht der antiken Astrologie von Experten gerügt. Im englischsprachigen Ausland kamen alternative Theorien auf, etwa eine einfache Nova im Jahr 5 v. Chr. oder die Konjunktion von Venus und Jupiter drei Jahre später (die jedoch der biblischen Chronologie widersprach). Am besten lässt sich der Stern von Bethlehem, wie ihn der Evangelist Matthäus beschrieb, als eine Art Komet deuten. Matthäus nahm eine ältere Überlieferung, die sich auf einen sehr hellen Meteor bezog, und gestalte sie neu mit seinen Erinnerungen an den Halleyschen Kometen des Jahres 66 n. Chr. Dieser war im Nahen Osten gut sichtbar und wurde auch vom Historiker Flavius Josephus in seinem Buch über den Jüdischen Krieg erwähnt. Wir haben diese Hypothese schon vor vier Jahren auf grenzwissenschaft-aktuell.de veröffentlicht.

Peruanische Weihnachtskrippe („Retablo“) von Angel Castro aus den 1970er Jahren.  Museum Europäischer Kulturen Berlin. Copyright: Ralf Bülow

Peruanische Weihnachtskrippe („Retablo“) von Angel Castro aus den 1970er Jahren.  Museum Europäischer Kulturen Berlin.
Copyright: Ralf Bülow

Ein bekannter Einwand gegen die Kometen-Erklärung lautet, dass Schweifsterne in der Antike als Unglücksboten galten. Tatsächlich folgte auf Halley ein blutiger Krieg, der 70 n. Chr. zur Eroberung Jerusalems durch die Römer und die Zerstörung des jüdischen Tempels führte. Wenn also der Evangelist Matthäus an einen Kometen dachte, dann sicher nicht im positiven Sinne. Gegen diese Kritik gibt es eine simple Entgegnung: Auch der Stern von Bethlehem ist kein positives Zeichen. In der Weihnachtgeschichte finden wir früh den Hinweis, dass König Herodes und ganz Jerusalem erschraken, als die Weisen aus dem Morgenland vom Stern berichteten (Matthäus 2, 3). Und nachdem die Weisen ihre Geschenke übergeben haben, müssen Maria, Joseph und der kleine Jesus nach Ägypten fliehen, und in Bethlehem findet ein fürchterlicher Kindermord statt (Matthäus 2, 16). Wo bleibt das Positive? Wenn überhaupt, in der zweiten Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas, in der ein Meteoritenfall durchschimmert.

Es ist unbestreitbar, dass der Weihnachtsstern im Laufe der Jahrhunderte zu einem Glückssymbol wurde, und dagegen ist auch überhaupt nichts einzuwenden. Was die Große Konjunktion des Jahres 2020 anbetrifft, so bleibt zu erwähnen, dass sie sich im Hippie-Sternbild Wassermann ereignet. 2021 können wir also mit einem Sommer der Liebe rechnen.

Grafische Rekonstruktion des Verlaufs der Großen Konjunktion 2020 (Illu.). Copyright: Dr. Sebastian Voltmer, www.weltraum.com (YouTube lspacemovie)

Grafische Rekonstruktion des Verlaufs der Großen Konjunktion 2020 (Illu.).
Copyright: Dr. Sebastian Voltmer, www.weltraum.com (YouTube @spacemovie)

Zum Autor
Ralf Bülow, geboren 1953, studierte Informatik, Mathematik und Philosophie an der Universität Bonn. Er ist Diplom-Informatiker und promovierte in mathematischer Logik. Während der 1980er Jahre arbeitete Ralf Bülow am Deutschen Museum und dessen Forschungsinstitut in München, zu Anfang der 1990er Jahre als Wissenschafts- und Technik-Journalist. Seit 1996 war er an Ausstellungen zu den Themen Computer, Weltraumfahrt, Astronomie und Physik beteiligt, darunter an „Einstein begreifen“ des Technoseum Mannheim. Von 2009 bis 2011 gestaltete er das Computermuseum der Fachhochschule Kiel. 2014 wirkte er bei einem Projekt für ein Spionage- und Geheimdienstmuseum in Berlin mit.




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