Quedlinburg (Deutschland) – Bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Galgenberg bei Quedlinburg haben Archäologinnen und Archäologen zahlreiche Skelette am Ort der alten Richtstätte gefunden. Darunter auch die Überreste eines Mannes, der offenbar im Ruf stand, ein Wiedergänger zu sein.
Wie das Team um Marita Genesis vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt berichtet, belegen die Funde am Ort des historisch seit 1662 nachweisbaren Galgens auf dem heute noch als „Am Galgenberg“ bezeichneten Ort, die Ausübung der Hohen Gerichtsbarkeit an diesem Platz, der erst 1809 aufgegeben wurde.
Für die Forschenden ermöglicht die Untersuchung solcher Orte im Rahmen der sogenannten Richtstättenarchäologie bemerkenswerte Einblicke in die Strafpraxis des Mittelalters und der frühen Neuzeit.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Unter anderem konnten die Archäologinnen und Archäologen vor Ort eine Körperbestattung in einem hölzernen Sarg zu dokumentieren. „Särge sind im Bereich von Richtstätten des Mittelalters und der Neuzeit sehr selten anzutreffen“, erläutert die Pressemitteilung des archäologischen Landesamts. „Das im Sarg auf dem Rücken liegende Skelett mit im Bauchbereich gefalteten Händen war sehr gut erhalten. Darüber hinaus wurde dem Toten eine Rosenkranzkette mitgegeben. Diese vergleichsweise würdevolle Bestattung im Bereich einer Richtstätte deutet eher auf eine Selbsttötung als auf eine Hinrichtung hin. Personen, die den Freitod wählten, blieb die Bestattung auf einem regulären Friedhof verwehrt.“
Weniger würdevoll wurde hingegen eine andere, ebenfalls am Galgenberg bestattet Person behandelt: Der auf dem Rücken liegende Mann wurde im Brustbereich mit großen Steinen bedeckt. Vermutlich handelt es sich hierbei um das Garb eines Mannes, der als sogenannter Wiedergänger galt: „Aus Angst vor der Rückkehr des Toten wurde sein Leichnam beschwert und somit im Grab gebunden.“
Bücher zum Thema
Mit der hiesigen Bestellung via Amazon unterstützen Sie GreWi durch eine
Provisionszahlung durch Amazon, ohne Mehrkosten für Sie. Danke!
Hintergrund
Tatsächlich ist der Glaube an Untote, Wiedergänger und Vampire kein moderner Aberglaube und auch nicht nur auf die Karpaten begrenzt. Die Angst vor wiederkehrenden Un-Toten dürfte uns Menschen schon von jeher begleitet haben. Wie auch der aktuelle Fund nahe Oppin zeigt, fürchteten sich auch schon die Menschen des Neolithikums vor der Heimsuchung durch Verstorbene, sei dies nun in körperlicher Form oder als Spuk. 2018 fanden Archäologen auf einem „Kinderfriedhof“ nahe Lugnano in Teverina das Skelett eines 10-Jährigen, in dessen Mund – vermutlich als Teil des Beerdigungsrituals – ein großer Stein gesteckt wurde.Auch hier vermuten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass die Praktik das verstorbene Kind daran hindern sollte, als Untoter die Lebenden heimzusuchen oder diese mit jenen Krankheiten anzustecken, an denen es selbst vermutlich gestorben war. Von dem Vorgehen erhofften sich die Überlebenden wohl auch grundsätzlich, Epidemien eindämmen zu können (…GreWi berichtete).
Neben vollständigen Skeletten wurden seit 2023 auch zwei Knochengruben entdeckt und weiter erforscht. „In diese Gruben wurden die durch Verwesungsprozesse abgetrennten Körperteile der Gehängten oder Geräderten verbracht. Die Befunde belegen die Einbringung einzelner Körperteile im anatomisch korrekten Verband.
Im Zuge periodischer Aufräumarbeiten wurde die Hinrichtungsstätte vom Scharfrichter und seinen Gesellen beräumt. Diese Vorgänge sind eindeutig im archäologischen Befund nachweisbar, da in den Gruben wahllos nebeneinander und aufeinander gestapelte Skelettreste in mehreren Schichten übereinander angetroffen wurden.“
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
12.000 Jahre altes Grab einer Vampir-Schamanin in der Türkei entdeckt 5. August 2024
Mögliches Wiedergänger-Grab in Sachsen-Anhalt entdeckt 10. Mai 2024
Römischer “Wiedergänger-Friedhof” in Sagalassos entdeckt 15. März 2023
JB 55: Forensiker rekonstruieren Gesicht von John Barber, dem “Vampir von Connecticut” 4. November 2022
Vampir- und Riesengrab aus der Merowingerzeit bei Theißen entdeckt 15. Oktober 2017
Mögliches Wiedergänger-Grab aus der Jungsteinzeit bei Theißen entdeckt 9. August 2017
Archäologen finden Hinweise für Glauben an Wiedergänger in England 5. April 2017
Neues Buch: „Geköpft und gepfählt – Archäologen auf der Jagd nach den Untoten“ 22. September 2016
Rätsel um polnischen „Vampir-Friedhof“ gelüftet 28. November 2014
Vampirglaube in Norddeutschland: Grabfunde belegen Bestattungssrituale gegen Wiedergänger und Nachzehrer 13. September 2014
Archäologen finden weiteres „Vampirgrab“ im Bulgarien 11. September 2013
Archäologen finden Vampirgrab in Bulgarien 10. Juni 2012
„Hexengrab“ in Italien belegt grausames Ritual 28. September 2011
Archäologen finden „Wiedergänger-Skelette“ in Irland 22. September 2011
Bestattung in Bauchlage galt als Herabsetzung der Toten 27. Juni 2009
Historisches Vampirgrab in Venedig entdeckt 9. März 2009
4000 Jahre altes „Vampirgrab“ im Böhmen entdeckt 22. Juli 2008
Recherchequelle: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt
© grenzwissenschaft-aktuell.de