München (Deutschland) – Münchner Forscher haben ein plausibles geologisches Szenario entdeckt, das die Selbstreplikation von Nukleinsäuren – den genetischen Bausteinen des Lebens – unter natürlichen Bedingungen ermöglicht. Dieser Prozess könnte eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Leben auf der Erde gespielt haben – aber auch auf anderen erdartigen Planeten stattfinden.
Wie der Doktorand Philipp Schwintek und Prof. Dieter Braun von der Ludwig-Maximilians-Universität München aktuell im Fachjournal „eLife“ (DOI: 10.7554/eLife.100152.1) berichten, haben sie in ihrer Arbeit eine Umgebung simuliert, wie sie auf der frühen Erde weit verbreitet gewesen sein könnte: poröses Vulkangestein, in dem Gas durch Gesteinsporen über Wasser strömt. Der Gasfluss bewirkt, dass Wasser an der Grenzfläche verdampft, während Nukleinsäuren und Salze sich dort ansammeln. Dieser Mechanismus erzeugt auch kreisförmige Wasserströmungen, die die Moleküle wieder zurück in die Flüssigkeit befördern.
Die Forscher stellten in Laborexperimenten fest, dass sich die DNA-Stränge innerhalb weniger Minuten um das Dreifache an der Gas-Wasser-Grenzfläche anreicherten, nach einer Stunde sogar um das 30-fache. Dies deutet darauf hin, dass sich dort eine ausreichend hohe Konzentration von Nukleinsäuren ansammeln könnte, um eine Replikation zu ermöglichen.
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Für die erfolgreiche Replikation von Nukleinsäuren reicht jedoch nicht nur eine Anhäufung aus; die doppelsträngigen DNA- oder RNA-Moleküle müssen sich auch wieder trennen, um den Replikationszyklus abzuschließen. Normalerweise geschieht dies durch Temperaturänderungen, die in dieser geologischen Umgebung jedoch nicht auftreten. Stattdessen zeigten die Forscher, dass durch den kombinierten Wasser- und Gasfluss Schwankungen in der Salzkonzentration entstehen, die die Strangtrennung fördern.
Mittels FRET-Spektroskopie, einer Methode zur Messung der DNA-Strangtrennung, konnten die Forscher nachweisen, dass sich die DNA zunächst zu doppelsträngigen Molekülen zusammenlagert, sich aber im Laufe des Experiments, aufgrund der durch den Wasserfluss verursachten Salzschwankungen, wieder in einzelsträngige Moleküle trennt.
Um zu testen, ob unter diesen Bedingungen tatsächlich eine Replikation stattfinden kann, setzten die Forscher fluoreszenzmarkierte Nukleinsäuren und ein Enzym, das die Synthese von doppelsträngiger DNA ermöglicht, in das Labormodell der Gesteinspore ein. Nach zwei Stunden stieg das Fluoreszenzsignal deutlich an, was darauf hinwies, dass neue doppelsträngige DNA-Moleküle synthetisiert worden waren. Als der Gas- und Wasserfluss gestoppt wurde, blieb dieser Effekt jedoch aus, was die entscheidende Rolle des Flusses für die Replikation bestätigte.
„Diese Arbeit zeigt, dass eine einfache geologische Umgebung, wie sie auf der frühen Erde häufig vorkam, möglicherweise den Ursprung des Lebens unterstützt haben könnte“, sagt Prof. Braun abschließend. „Unser Modell erweitert das Spektrum potenzieller Szenarien für die Replikation von Nukleinsäuren unter natürlichen Bedingungen – sowohl auf der Erde als auch auf anderen Planeten.“
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Recherchequelle: eLife
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