Zoologen identifizieren den genetischen Ursprung unserer Sinne
Innsbruck (Österreich) – Zoologen und Zoologinnen haben die Funktion eines Gens entschlüsselt, das essentiell für die Bildung von Nervenstrukturen im Kopf von Wirbeltieren und ihrer Wahrnehmung der Umwelt ist. Dieses Gen spielt auch in den wirbellosen Manteltieren eine ähnliche Rolle, weshalb es wahrscheinlich auf den ausgestorbenen gemeinsamen Vorfahren dieser Tierstämme zurückgeht.
Wie das Team um Utwe Rothbächer vom Institut für Zoologie der Universität Innsbruck aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-022-04742-w.) berichtet, sei es ziemlich vorteilhaft, einen Kopf zu haben. Was zunächst banal klinge, wurde allerdings von der Evolution in einem langen Prozess erprobt, so die Wissenschaftlerin: „Während der Entstehung der Tierwelt in den Ozeanen dominierten zunächst rein wirbellose Lebewesen. Diese besaßen zwar schon Kopfstrukturen, doch es war die Entwicklung eines neuartigen, verbesserten Kopfes, die schließlich den Wirbeltieren den Weg zum Erfolg ebnete.“ Tatsächlich war es dieser „neue Kopf“, der eine weite räumliche Verteilung und Vervielfältigung von Sinneszellen und damit eine viel bessere Wahrnehmung der Umwelt ermöglichte. Gerade für die Evolution der räuberischen Lebensweise habe sich das als grundlegend erwiesen.
„Wenn äußere Reize an das Gehirn von Wirbeltieren weitergeleitet werden, spielen die sogenannten ‚Cranial Sensory Ganglia‘ eine wichtige Rolle“, erläutert die pressemittelung der Universität Insbruck. „Diese Kopfganglien kann man sich als Nervenknotenpunkte vorstellen, die über den gesamten Kopf verteilt sind und Informationen der Sinnesorgane aufnehmen. Wie genau diese Kopfganglien entstanden sind, war der Wissenschaft bisher nicht bekannt.“
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Der Befund des internationalen Teams zeigt, dass die „Cranial Sensory Ganglia“ der Wirbeltiere aus einem genetischen Programm hervorgehen, das auch in ihren nächsten noch lebenden Verwandten, den Manteltieren, zu finden ist: „Bei Manteltier-Larven sitzen bestimmte sensorische Nervenzellen im Schwanzbereich, die sogenannten ‚Bipolar Tail Neurons‘. Diese verarbeiten äußere Reize, sind aber auch für die Fortbewegung des Tieres verantwortlich. In beiden Tierstämmen werden die jeweiligen Strukturen durch das Gen Hmx gebildet.“
„Manteltiere sind gewissermaßen ein evolutionärer Prototyp für Wirbeltiere“, erklärt Rothbächer. „Zwischen den erwachsenen Tieren dieser Stämme herrscht eine große anatomische Kluft, da sie an ökologische Nischen angepasst sind. Das erschwert die Forschung über ihre Evolution. Lediglich im Embryonalstadium lassen sich gemeinsame Strukturen und Mechanismen besser erkennen – unser gemeinsamer Vorfahre war wahrscheinlich einer Manteltier-Larve sehr ähnlich.“
Als Modellorganismen der Studie dienten den Forschenden das Neunauge, ein primitiver allartiger Fisch, der oft als „lebendes Fossil“ bezeichnet wird, und das Manteltier Ciona intestinalis, das von einem gelblichen, schlauchförmigen Mantel umgeben ist, der das Tier schützt und Nahrung filtert.
Zur Untersuchung der Funktion des Gens Hmx in Ciona verwendeten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Gentechnologie CRISPR-Cas9 (die sog. Gen-Schere), mit der sich genetische Sequenzen gezielt ausschalten lassen, und die Methode der transienten Transgenese, um Gene übermäßig häufig abzulesen.
Dabei stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass Hmx in Manteltieren die Entwicklung von „Bipolar Tail Neurons“ steuert, während es in Wirbeltieren maßgeblich zur Entwicklung der „Cranial Sensory Ganglia“ beiträgt. Zudem zeigte sich, dass die Hmx-Genabschnitte des Neunauges, wenn sie in die DNA von Ciona eingefügt wurden, ähnlich aktiv waren wie das Ciona-eigene Hmx.
„Hmx hat sich als zentrales Gen erwiesen, das über die Evolution hinweg konserviert wurde, also seine ursprüngliche Funktion und Struktur erhalten hat und in dieser Form vermutlich bereits im gemeinsamen Vorfahren von Wirbel- und Manteltieren zu finden war“, erklärt der Doktorand Alessandro Pennati abschließend. „Cranial Sensory Ganglia“ und „Bipolar Tail Neurons“ haben damit den gleichen evolutionären Ursprung. Hmx war vermutlich entscheidend an der Ausbildung hochspezialisierter Kopfsinnesorgane der Wirbeltiere beteiligt.
Reccherchequelle: Universität Insbruck
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